: Anne Klein: „Ich bin mir keiner Schuld bewußt“
■ Interview mit Rechtsanwalt Wolfgang Wieland, dem Bundesvorsitzenden des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins
taz: Gegen die Senatorin Frau Klein wird der Vorwurf des Parteiverrats erhoben. Was heißt das konkret?
Wolfgang Wieland: Eine Rechtsanwältin, ein Rechtsanwalt darf nach § 45 der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache bereits im entgegengesetzten Interesse beraten oder vertreten hat. Tut er es dennoch, begeht er sogenannten Parteiverrat. Es handelt sich um eine Regelung im Interesse unserer Mandanten; sie müssen sich vollständig darauf verlassen können, daß die Person, die sie ins Vertrauen ziehen, ausschließlich ihre Interessen vertritt und keine andere, schon gar nicht die des Gegners.
Nun ist es ja gerade bei Scheidungen häufig so, daß die Eheleute eine einverständliche Ehescheidung wollen. Darf dann der Anwalt nicht für beide tätig werden?
Gerade hier liegt eine große Gefahr. Die scheinbare Einigkeit der Eheleute verdeckt oft den tieferliegenden Interessengegensatz. Nicht die schlechtesten Kommentatoren zum anwaltlichen Standesrecht warnen deshalb bereits davor, Eheleute gemeinsam zu empfangen, und sei es auch nur zu einem ersten Gespräch.
Macht sich der Anwalt in einem solchen Fall schon strafbar?
Nein, das tut er noch nicht. Die Strafbarkeit setzt erst ein, wenn er entgegengesetzte Interessen vertritt. Das wäre der Fall, wenn er Kenntnisse aus dem Gespräch, z.B. mit dem Ehemann, dann in der Interessenvertretung der Ehefrau ausnutzt. Am Donnerstag hat sich der Geschäftsführende Ausschuß (GA) der AL mit dem Vorwurf befaßt, die von ihr gestellte Senatorin Anne Klein habe als Anwältin in einem Scheidungsverfahren sogenannten Parteiverrat begangen (die taz berichtete). Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft gegen Frau Klein ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
„Auch nach der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sieht der GA keinen Grund, das bekanntgewordene Verhalten der Senatorin im Rahmen ihrer Berufsausübung als Rechtsanwältin politisch oder moralisch zu beanstanden“, heißt es in einer Stellungnahme des GA. Damit hat die AL sich das zweite Mal binnen weniger Wochen rückhaltlos hinter ihre Senatorin gestellt. Bereits im Zusammenhang mit der Pilotenspiel-Affäre hatte die AL nach einer turbulenten Mitgliederversammlung der Senatorin das Vertrauen ausgesprochen. Frau Klein, die sich gegenwärtig im Urlaub befindet, hatte zu den neuerlichen Vorwürfen gegen ihre Person erklärt: Zu keinem Zeitpunkt habe es zwischen den Eheleuten einen Interessengegensatz in ihrem Scheidungsverfahren gegeben. „Nach meiner Rechtsauffassung sind die Vorwürfe unbegründet.“ Nach Beendigung ihres Urlaubs in zehn Tagen will die Senatorin zu den Vorwürfen vor der Staatsanwaltschaft Stellung nehmen.
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