: Flüchtlingsheim in Wohngebiet darf bleiben
■ Keine schwäbischen Zustände / „Milieuschutz“ spielt nach Auffassung des Gerichts keine Rolle / Kläger hatten „Überbelastung mit sozialen Einrichtungen“ geltend gemacht
Eine Nachbarschaftsklage gegen ein Wohnheim für Flüchtlinge und Aus- und Umsiedlerin der Spanischen Allee in Nikolassee wurde gestern von der 13.Kammer des Verwaltungsgerichts abgewiesen. Eine derartige Einrichtung könne baurechtlich in einem „allgemeinem Wohngebiet“ zugelassen werden, wenn eine städtebaulich richtige Ermessensentscheidung vorliege. Die sah das Gericht offenbar vor allem deshalb garantiert, weil die Belegung des Hauses von ursprünglich 40 Plätzen auf 25 reduziert worden war.
Geklagt hatte eine Anwohnerin sowie der „Wohnungsbauverein Neukölln“, dem ein Mietswohnhaus auf einem benachbarten Grundstück gehört. In dem Wohnheim, einer alten Grunewaldvilla leben seit rund zwei Jahren Flüchtlinge und Aussiedler. Das Haus war zuvor als Altenheim genutzt worden.
In einer Erklärung begrüßte die Alternative Liste das Urteil der 13.Kammer des Verwaltungsgerichts. Es sei für die AL unverständlich, warum ein Wohnheim für fremde Menschen eine Minderung des Wohnwerts der Umgebung darstellen soll. Konflikte, die im täglichen Zusammenleben immer auftreten könnten, müsse man im täglichen Umgang miteinander lösen nicht durch Rausschmiß.
Man müsse Flüchtlingen, Aus- und UmsiedlerInnen in der Stadt aufnehmen und ihnen eine neue Lebensperspektive geben. Berlin, so die AL, sei eine weltoffene Stadt. Den Klägern aus der Spanischen Allee war das Wohnheim zuviel der Weltoffenheit; sie sahen ihren Milieuschutz gefährdet. Per Urteil des Verwaltungsgerichtes muß das „Milieu“ in Nikolassee nun mit 25 Menschen - darunter zehn Kindern - aus dem Libanon, Iran, Polen und Ungarn leben.
Kindergeschrei in der Mittagszeit und Unrat, den Flüchtlinge angeblich auf ihr Grundstück geworfen hatten, monierten die Kläger. Auf Nachfrage des Richters vor Ort, ob Kinder mittags nicht spielen dürften, lautete die Antwort der Kläger, ältere Menschen hätten auch Rechte. Letztlich ging es jedoch nicht nur um vermeintliche Lärmbelästigung und falsch deponierten Abfall, sondern um die Frage, ob eine solche Anlage in einem „allgemeinem Wohngebiet“ zuzumuten ist.
Sie ist zuzumuten, entschied das Gericht. Unter anderem beriefen sich die Kläger auch auf eine Überlastung des Gebiets mit sozialen Einrichtungen. Auch dieser Argumentation mochten die Richter nicht folgen. Sie kamen zu dem Ergebnis, die Baubehörde habe die städtebaulichen Gegebenheiten angemessen abgewogen.
Auf den ersten Blick erinnert der Fall an das umstrittene Urteil eines Baden-Württembergischen Gerichts, wonach Unterkünfte für Flüchtlinge in „reinen Wohngebieten“ unzulässig sind. In Nikolassee handelt es sich jedoch feiner Unterschied - um ein „allgemeines Wohngebiet“, in dem solche Einrichtungen mit Ausnahmegenehmigung zulässig seien.
dpa/anb
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