: Bürokratischer Spießrutenlauf
Edna Kreuzer (52) aus Riegelsberg im Saarland hat am 28.August 1988 während des Infernos auf der Ramsteiner Air -base ihren Sohn Aloysius verloren. Der 23jährige starb eines gewaltsamen Todes - doch bis heute hat Frau Kreuzer von den zuständigen Behörden keine Auskunft über die Todesursache ihres Sohnes erhalten.
Dabei wurde der Sohn von Edna Kreuzer ohne die Einwilligung der Familie auf Anweisung der Staatsanwaltschaft in Zweibrücken obduziert. Frau Kreuzer bekam den Leichnam Tage nach der Katastrophe - ohne Zunge und mit mehreren Schnittstellen ausgehändigt. Sie war entsetzt. Weder Arzt noch Schwester hatten die Mutter aufgeklärt, daß eine Obduktion nach einem unnatürlichen Tod eine rechtliche Verpflichtung ist, wie Oberstaatsanwalt Dexheimer jetzt ein Jahr nach dem Vorfall - per Lokalpresse mitteilen ließ. Die Obduktion sei schließlich auch im Interesse der Hinterbliebenen erfolgt: Denn nur so, argumentierte der Staatsanwalt, habe der Nachweis erbracht werden können, daß der junge Kreuzer auch tatsächlich in Ramstein getötet worden sei. Frau Kreuzer hat ihren Sohn wenigstens noch erkennen können. Andere Eltern, besonders die kleiner Kinder, sind bis heute nicht sicher, ob das verkohlte Bündel, das sie Anfang September 88 unter die Erde gebracht haben, tatsächlich ihr Sohn oder ihre Tochter war.
Von den von Frau Kreuzer beim Amt für Verteidigungslasten geltend gemachten Kosten für die Beerdigung zog das Bundesamt das von der Knappschaftskasse gezahlte Sterbegeld für den jungen Saarstahl-Arbeiter Kreuzer ab. Zuvor war die Mutter wochenlang mit dem Wagen unterwegs gewesen, um nachträglich sämtliche Belege für die Beerdigungskosten beizuschaffen. Daß es ohne Beleg keine müde Mark vom Amt für Verteidigungslasten geben werde, hatte man ihr verschwiegen. Ein anderer Betroffener wurde vom Amt aufgefordert, einen versehentlich überwiesenen Mehrbetrag von 180 Mark umgehend zurückzuzahlen. Und bei einem weiterer Opfer wurde die Rückzahlung eines Betrags von unter 10 Mark angemahnt.
Nachdem Edna Kreuzer im letzten September einen Antrag auf Entschädigung eingereicht hatte, weil ihr Sohn die Familie mit rund 1.000 Mark monatlich unterstützt hatte, hüllten sich die Behörden in Schweigen - bis zum 15.August 1989. Frau Kreuzer hatte gewagt, auf dem Hearing der Friedensbewegung am 13.August Vorwürfe gegen die Bundesbehörde und das rheinland-pfälzische Innenministerium zu richten. Innenminister Rudi Geil (CDU) reagiert prompt. Das Amt, so der Beauftragte des Ministers Klee, hätte es sich einfach machen und die Forderungen von Frau Kreuzer schlicht ablehnen können: „Die mühselige und strittige Klärung des Tatherganges wäre dann auf die Gerichte verlagert worden.“ Frau Kreuzer möge bitte ihre im Fernsehen geäußerten Vorwürfe umgehend öffentlich zurücknehmen.
Frau Kreuzer will sich von den Drohungen nicht einschüchtern lassen. Sie trug am vergangenen Dienstag die Entscheidung der Initiative „Wider das Vergessen“ mit, den organisierten Widerstand in der Region über den Jahrestag hinaus fortzusetzen. Edna Kreuzer pflegt den Kontakt zu anderen Hinterbliebenen und schwerverletzten Opfern, die gleichfalls um Entschädigungen und Schmerzensgelder kämpfen müssen. Von den 1.500 Anträgen, die nach dem 28.August eingereicht wurden, ist bisher noch nicht einmal die Hälfte zu Ende bearbeitet worden. Die versprochene „unbürokratische Hilfe“ sei ein Hohn, meint auch Brigitte Berthold von der Initiative: „Die Behörden schlagen brutal zurück. Opfer, die sich zu Wort melden, werden an den Pranger gestellt.“
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