Woodstock-betr.: "Manche gehen heute noch am Woodstock", taz vom 12.8.89 und taz vom 24.8.89

betr.: „Manche gehen heute noch am Woodstock“, taz vom 12.8.89, Leserbrief dazu von Andreas Lindenberg, taz vom 24.8.89

(...) Gibt es tatsächlich noch Träumer, die nach 20 Jahren Bedenkzeit nicht verstanden haben, welch profitablen Mythos alternative Kleinkapitalisten mit dem Verkauf von Film- und Plattenrechten an den inzwischen weltweit größten Medienkonzern der Welt „Warner Brothers“ mit einem Konzert namens „Woodstock“ geschaffen haben. Es war doch mehr als beliebig, daß ausgerechnet die Kuhweide im Staate New York zum Symbol geworden ist. Es hätte auch Monate zuvor irgendein anderes Festival oder später Watkins Glen mit doppelt soviel Zuschauern sein können.

Der Clou war doch nur der erfolgreiche Verkauf von Alternativkultur per Film von alternativen Filmwochenschauen, amerikanischem SDS und ähnlichen Alternativgruppen, die von den Veranstaltern gegen Honorar eingekauft wurden, das Festival gegenkulturell zu verbrämen.

Der Artikel von Hans Behr war sehr aufschlußreich und kam eigentlich viel zu spät. Ich hätte mir gewünscht, daß der Mythos schon vor zehn Jahren demontiert worden wäre.

Ich habe mir schon Anfang dieses Jahres den Woodstock-Film seit 15 Jahren zum ersten Mal wieder angesehen und war verblüfft, wie dieser Film unfreiwillig die Probleme dokumentiert hat, die seither integraler Bestandteil kommerzieller Festivals sind, von der Versorgungskrise bis hin zum Wohlstandsmüll. Und deutlich zeigt der Film auch, was Woodstock für ein WASP-Vergnügen war. Wo waren die Ghetto-Kids außer in der Band von Sly Stone?

Es grenzt nun wirklich an Verblödung, sich 20 Jahre nach Woodstock weiter an spiritueller Kacke und sonstigen Hoffnungen festzuhalten. Konsequenterweise dürfte auch ein solches Buch, wie das leider viel zu schnell verramschte Wem gehört die Rock-Musik von Steve Chapple und Reebee Garofalo (rororo 7313), an Lieserbriefschreiber Andreas Lindenberg vorbeigegangen sein. (...)

Ein Tip: manchmal hilft es etwas, die rosarote Brille abzusetzen und sich mit den Realitäten des Rockbusineß zu beschäftigen.

Jürgen Bischoff, Gelsenkirchen