piwik no script img

Weizsäcker-Botschaft an Polen

■ Auch in Zukunft keine Gebietsanspräche an Polen / Botschaft an Jaruzelski zum Jahrestag des Kriegsbeginns / Kohl will nun möglichst bald nach Polen fahren

Bonn (dpa) - Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat der polnischen Führung versichert, daß von seiten der Bundesrepublik auch in Zukunft keinerlei Gebietsansprüche gegen Polen erhoben werden. In einer Botschaft an den polnischen Staatspräsidenten Wojciech Jaruzelski und dessen Landsleute zum 50.Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen bekräftigte er zugleich den Wunsch nach einer intensiven politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten.

In Bonn war zunächst für möglich gehalten worden, daß der Bundespräsident zum Jahrestag des Kriegsbeginns am 1.September der Volksrepublik einen Besuch abstatten würde. Wegen der noch nicht abgeschlossenen deutsch-polnischen Wirtschaftsverhandlungen entfielen jedoch die Voraussetzungen. Weizsäcker hatte deutlich gemacht, daß er Bundeskanzler Helmut Kohl bei einem Polenbesuch den Vortritt lassen will.

Gestern nun gab Regierungssprecher Klein bekannt, Kohl wolle möglichst bald nach Polen reisen.

Der Bundespräsident erinnert daran, daß die Polen die ersten Opfer eines Krieges wurden, den die nationalsozialistische deutsche Führung „voller Mißachtung für die Menschlichkeit, das Völkerrecht und das Verständigungsgebot“ vom Zaune gebrochen habe. Die NS -Führung werde in ihrer Verantwortung für den Kriegsbeginn weder durch die seinerzeit bestehenden deutsch-polnischen Spannungen noch durch den „zynischen“ Hitler-Stalin-Pakt über die Aufteilung Polens ent lastet.

Unzählbar seien die Opfer und unbeschreiblich die Leiden, die die Menschen in Polen im Krieg und danach zu erdulden gehabt hätten. Jeder habe seine eigene Lesart der Geschichte, aber man solle sie nicht dazu benutzen, den anderen das Leben mit der Vergangenheit in die Zukunft hinein zu erschweren, schreibt der Bundespräsident.

Die Verständigung sei lange durch unbedachte Äußerungen auf beiden Seiten erschwert worden. Unvergessen als gute Zeichen seien dagegen die Worte der polnischen Bischöfe aus dem Jahr 1965, mit denen sie „in sehr menschlichem Geist“ Vergebung gewährt und um Vergebung gebeten hätten.

Die Botschaft endet mit dem Wunsch: „Wie durch den Angriff auf Polen vor einem halben Jahrhundert Europa in einen mörderischen Krieg gestürzt wurde, so können heute Polen und Deutsche mit ihrer Verständigung das ganze Europa einer freien und friedlichen Zukunft maßgeblich näherbringen. Möge es uns in gemeinsamer Arbeit gelingen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen