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„Drei-Fliegen-Modell: Quadratur des Kreises“

Das Wirtschaftsinstitut des DGB berechnet Fehler des SPD-Öko-Konzeptes  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Die Wissenschaft drückt sich vornehm aus: „Weiteres Nachdenken ist geboten“, schreibt Professor Klaus Gretschmann in den „Mitteilungen“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes über die Vorstellungen der SPD in Sachen Ökosteuern. Tatsächlich erschüttert der Autor das gesamte Konzept der SPD-Arbeitsgruppe „Fortschritt 90“ in seinen Grundfesten.

Gretschmann hat auf Heller und Pfennig errechnet, wie sich der Grundwiderspruch der sozialdemokratischen Steuerpläne auswirken wird, der in den vergangenen Wochen ansatzweise bereits in der Diskussion gestanden hat. Einerseits das Öko -Ziel: Mit einer gigantischen Anhebung der Besteuerung des Energieverbrauches denselben zurückschrauben. Andererseits das fiskalische Ziel: Mit den erhöhten Energiesteuereinnahmen sollen Senkungen bei den Steuer- und Sozialversicherungsleistungen für Bürger und Unternehmen finanziert werden.

Um beispielsweise 40 Milliarden Mark über Energiesteuern hereinzuholen (was grob gerechnet im Bereich der SPD -Vorstellungen liegt), müßte laut Gretschmann die Energiesteuer pro Steinkohleeinheit (SKE) auf 155 Mark festgesetzt werden, was eine „rechnerische Preiserhöhung von durchschnittlich 60 Prozent“ ergäbe. Doch Endverbraucher und Industrie reagieren auf eine derart spürbare Preisanhebung mit dem erwarteten - und vom ökologischen Standpunkt her erwünschten - Minderverbrauch. Gretschmann geht dabei nach den Erfahrungen aus den 70er Jahren von einer „mittelfristigen Energiepreiselastizität“ der Nachfrage von 0,4 aus, und „dann ergibt sich aus der Besteuerung eine Energiemindernachfrage in Höhe von ca. 24 Prozent“.

Der Verbrauch der Endenergie würde somit nicht mehr jene heutigen 257 Millionen Tonnen SKE betragen, die die 40 Milliarden Mark zusätzlich einbringen würden, sondern nur mehr 195 Millionen. Um nun dennoch 40 Milliarden über die Energiesteuern hereinzubekommen, müßte die Steuer dann auf 205 Mark pro Tonne angehoben werden, und dann dreht sich der Circulus Vitiosus Taxorum (steuerlicher Teufelskreis) immer schneller. Gretschmann: „Sofern dies wieder zu - nunmehr verstärkten - Ausweichreaktionen Anlaß gibt, verschmälert sich die Steuerbasis (Energieverbrauch, d.Red.) weiter, mit der Folge weiter steigender Steuerlasten.“ Das Dilemma lautet also: Ökologische Operation gelungen - fiskalischer Patient tot. Der WSI-Autor hat dafür einen systematischen Grund ausgemacht, die „Entkoppelung von ökologisch zielführender Steuermehrbelastung einerseits und der ökologisch völlig diffusen Verteilung der zurückfließenden Mittel, in Lohnsteuererleichterungen, Unternehmensteuerkürzungen oder Sozialtransfererhöhungen“. Dieses „Drei-Fliegen-mit-einer-Klappe„-Modell (Bewältigung der drei Probleme Arbeitslosigkeit, Umweltschädigung und Finanzknappheit der Sozialen Sicherheit) versucht sich in den Augen Gretschmanns also eher „an der Quadratur des Kreises“.

Darüber hinaus ist es seiner Ansicht nach auch nicht ausgemacht, ob Entlastungen bei der Einkommensteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen, die ja tendenziell die Lohnkosten der Unternehmen senken, auch tatsächlich zu Neueinstellungen führen könnten.

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