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Asylbewerber an die Arbeit?

Eine Verkürzung des Arbeitsverbots für Asylbewerber, so verkündete das Bundesinnenministerium noch vor einem halben Jahr kategorisch, „hätte eine Sogwirkung zur Folge, die nicht mehr zu bewältigen wäre“. An eine Lockerung des fünfjährigen Arbeitsverbots sei folglich nicht zu denken. Heute, unter einem neuen Bonner Innenminister, wird plötzlich vielerorts daran gedacht - aus unterschiedlichen Beweggründen. Das staatlich verordnete Arbeitsverbot, seit langem zentraler Kritikpunkt von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, gerät als ideologische Bastion der Abschreckungspolitiker ins Wanken.

Innenminister Schäuble höchstpersönlich eröffnete den Diskussionsreigen in der Sommerpause mit dem Vorschlag, rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber könnten nach einer gewissen Verweildauer eine dreimonatige Arbeitserlaubnis für Ernteeinsätze in der Landwirtschaft erhalten. Eine Überprüfung des Arbeitsverbots schlägt auch ein Antrag vor, den Heiner Geißler und Wolfgang Schäuble auf dem CDU -Parteitag in Bremen zur Abstimmung stellen wollen. Und ausgerechnet die CSU-geführte bayerische Landesregierung wartete in der Sommerpause mit dem bisher weitestgehenden Vorschlag auf: Asylbewerber, so der Kabinettsbeschluß aus München, deren Gesuche nicht offensichtlich unbegründet sind, könnten schon nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis für Mangelberufe bekommen - in Altenpflege, Gastronomie oder Baugewerbe.

Nur Baden-Württemberg sperrt sich vehement gegen eine Lockerung des Arbeitsverbots und schlägt vor, Flüchtlinge könnten gegen ein paar Groschen Stundenlohn Straßen fegen oder alten Leuten beim Einkaufen zur Hand gehen.

Daß nach einer Zeit der verhärteten Fronten überhaupt über eine Lockerung des Arbeitsverbots diskutiert wird, können die Kritiker der Bonner Abschreckungspolitik nur begrenzt als Erfolg ihres beharrlichen Drängens verbuchen. Eher waren es ganz materielle Gründe, die jetzt zur argumentativen Kehrtwende in Bonn und Bayern führten. Auch in CSU-Kreisen ahnt man inzwischen, daß die zum Müßiggang gezwungenen Flüchtlinge der populistischen Argumentation der „Republikaner“ Auftrieb geben, und so wird die jahrelang betriebene Politik blitzschnell ins Gegenteil verkehrt: „Die sollen endlich arbeiten gehen und uns nicht länger auf der Tasche liegen!“

Hinzu kommt der finanzielle Druck auf die Kommunen, die über jede Mark froh sind, um die ihr Sozialhilfeetat entlastet würde. Als vierte Kraft haben diejenigen Wirtschaftsbranchen ihr Gewicht in die Waagschale geworfen, die über chronischen Arbeitskräftemangel klagen und deswegen sogar - wie derzeit die Gastronomie - Anwerber nach Spanien und Portugal schicken.

Ob die Flüchtlinge dabei jemals mehr als schlechtbezahlte Lückenbüßer spielen werden, ist allerdings fraglich. Denn gesucht werden in erster Linie qualifizierte Fachkräfte, und das - so die Bundesanstalt für Arbeit - „sind nur die wenigsten unter den Asylbewerbern“. Angesichts der Ausreisewelle aus der DDR dürften außerdem Asylsuchende die letzten sein, die von dem Kuchen auf dem Stellenmarkt etwas abbekommen. „Ein soziales Pflästerchen“ nennt Wolfgang Schuth, Asylexperte bei der Arbeiterwohlfahrt, die momentane Diskussion zum Arbeitsverbot: „Was Bonn erlauben will, ist bloß die Legalisierung der jahrelang bestehenden Praxis von Schwarzarbeit. Dennoch, eigentlich kann es für die Flüchtlinge nur noch besser werden.“

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