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Pflegenotstand ohne Ende?

■ „Die Arbeit wird gemacht, aber nicht die Pflege“ / Krankenhäuser haben Schwierigkeiten, Stellen neu zu besetzen / Einführung der Gruppenpflege wird gefordert / Senat soll aus Landesmitteln Gelder zuschießen

Die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft ÖTV und den Arbeitgebern sind schon fast Geschichte - der Pflegenotstand hat sich jedoch weiterhin verschärft. Zwar erhalten die Pflegekräfte seit dem 1. August zwischen 100 und 200 Mark monatlich mehr - „dies hindert unter den derzeitigen Bedingungen jedoch niemanden, diesen Beruf an den Nagel zu hängen“, beschreibt Elisabeth Cramer, Personalratsmitglied im Urban-Krankenhaus die Misere in den Kliniken. Viele Stationen sind unterbesetzt, die Lücken, die die Aussteiger hinterlassen, können nicht gefüllt werden: „Es bewirbt sich niemand mehr für diesen Job!“ Die Folge: Überstunden sind an der Tagesordnung, ganz offensichtliche Engpässe werden mit sogenannten „Extrawachen“ überbrückt.

Diese sind meist StudentInnen, die über keinerlei Ausbildung in der Krankenpflege verfügen. „Sicher - zur Zeit brauchen wir diese Extrawachen“, erklärt Gundula Lubig, Pflegedienstleitung im Elisabeth-Krankenhaus, „eine ganzheitliche Versorgung wird durch den damit verbundenen permanenten Personalwechsel jedoch unmöglich gemacht.“ Ein Gesamtpflegekonzept kann nicht aufgestellt werden, die berechtigten Ansprüche seitens der Pflegekräfte werden von der Realität weit abgeschlagen. Kein Wunder, daß das Klinikum Steglitz Schwierigkeiten hat, freiwerdende Stellen

-zumindest in einigen Bereichen - neu zu besetzen, auf der Intensivstation wurden deshalb sogar kurzfristig Betten gesperrt. Dabei kann das Klinikum noch mit attraktiven Angeboten locken - neue Arbeitsweisen, verbesserte Personalschlüssel - in den kleineren Krankenhäusern ist die Situation nur noch desolat. Die „patientenzentrierte Pflege“ verkommt zur Arbeit am Fließband, die Schwestern sind ausgebrannt, der Dauerfrust umschließt die Krankenstationen wie ein engmaschiges Netz.

„Die Arbeit wird gemacht - nicht aber die Pflege“, resümiert Jutta Schauer-Oldenburg, Oberschweser in Moabit. „Unsere Arbeitssituation muß so verbessert werden, daß die Leute wieder zurückkommen.“ Doch auf politischer Ebene wird die Verantwortung hin und hergeschoben: Der Senat verweist auf die Pflegesatzverhandlungen, die Krankenkassen sprechen schon jetzt von „immensen Kosten“. Denn: Werden die Pflegesätze, über die die Pflegekräfte bezahlt werden, erhöht, müßten die Mitglieder höhere Beiträge zahlen. Also bleibt alles beim alten: Der Personalschlüssel für Pflegekräfte wurde seit 1969 nicht mehr angehoben.

Die in den Tarifverhandlungen ausgehandelte Zulage erfüllt zur Zeit somit lediglich eine Alibifunktion - eine andere Organisation in den Kliniken ist jetzt gefragt. Dazu gehört laut Cramer, daß generell die sogenannte Gruppenpflege eingeführt wird. Dies bedeutet, daß sich etwa zwei Schwestern um neun bis zwölf Patienten kümmern können - und nicht, wie bisher, zwei Schwestern für 36 Patienten zuständig sind. Dies bedeutet aber auch, daß mehr Personal eingestellt werden muß - was wiederum daran scheitert, daß die Pflegesätze nicht erhöht werden. Ein Teufelskreis. Jutta Schauer-Oldenburg sieht trotzdem eine Lösung: „Entweder der Senat schießt aus Landesmitteln Gelder zu oder die Gelder im Gesundheitswesen müssen generell umverteilt werden.“

Bis es dazu kommt, sollte nach Meinung der Krankenschwester das neue Krankenpflegereferat in der Gesundheitsverwaltung erst einmal „Tätigkeitsmerkmale für Krankenschwestern“ erstellen. Einen fest umschlossenen Tätigkeitskatalog gibt es für den Pflegeberuf bislang noch nicht - „ein Umstand, den sich sowohl Ärzte wie auch die Verwaltungen zunutze machen, um uns berufsfremde Tätigkeiten aufzudrücken.“ Auch die Krankenkassen würden einen solchen „Katalog“ vermutlich skeptisch betrachten - gäbe dieser den Patienten doch die Möglichkeit, ihr Recht auf angemessene Pflege notfalls auch einklagen zu können.

„Auf jeden Fall müssen jetzt erste Schritte getan werden, um den Pflegenotstand auch nachhaltig zu beheben“, immerhin sei die Personalsituation im Moabiter Krankenhaus laut Schauer-Oldenburg seit 1987 um acht Prozent schlechter gewesen als der Bundesdurchschnitt. „Und seitdem hat sich weder hier noch in anderen Krankenhäusern etwas gebessert.“ Weder der Einsatz von Hilfskräften ohne Kompetenzen noch die Einstellung ausländischer Krankenschwestern habe daran etwas ändern können. Dabei unterliegen die ausländischen Schwestern noch erschwerten Bedingungen: Sie müssen in den ersten sechs Monaten bei Eingruppierung in die niedrigste Vergütungsstufe beweisen, daß sie nach dem Krankenpflegesatz auch tauglich sind. „Anpassen ist die Folge, aber keine offensive Auseinandersetzung mit diesem Beruf“, meint Elisabeth Cramer.

Offensiv werden müßten nun auch die Krankenhausleitungen zusammen mit den Krankenkassen und dem Senat, um somit den Pflegenotstand effektiv zu bekämpfen. Denn, so Lubig, „die minimale Anhebung der Löhne kann wirklich nicht alles gewesen sein“.

Martina Habersetzer

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