: SPD will der SED die Angst vor Reformen nehmen
■ SPD-Landesvorsitzende will „selbstgewählte Isolierung der SED“ brechen / Scharfe Kritik an den Körting-Vorschlägen / Weiter Gespräche mit der SED
Der SPD-Abgeordnete Körting ist mit seiner Forderung nach einer neuen SPD-Deutschlandpolitik in seiner Partei auf scharfe Kritik gestoßen. Körting hatte das Ende der „Politik der kleinen Schritte“ gefordert und freundschaftliche Gespräche zur SED-Führung für überflüssig erklärt. Wer heute noch zu SED-Chef Honecker fahre, mache „eine Reise wie mit der Zeitmaschine in die Vergangenheit“, so Körting.
Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Buttgereit stellte gestern klar, daß die Partei an ihrer bisherigen Deutschlandpolitik festhalten will. Körtings Kritik habe „keine größere Unterstützung in der SPD“. Auch der Ex -Abgeordnete Longolius, der für die SPD regelmäßig zu Gesprächen mit führenden Mitgliedern der SED nach Ost-Berlin reist, wies die Vorschläge Körtings scharf zurück. Ein Abbruch der Gespräche mit der SED-Führung würde gerade die reformunwilligen Kräfte in der DDR stärken, erklärte Longolius gegenüber der taz (siehe Seite 22).
Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende kündigte an, daß die SPD auch weiter „möglichst viele Kontakte mit der SED unterhalten“ müsse, um die „selbstgewählte Isolierung“ der SED aufzubrechen und die „dort vorhandene Angst vor Reformen abzubauen“. Natürlich werde die SPD „wie bisher“ vielfältige Kontakte mit oppositionellen Kräften in der DDR-Gesellschaft pflegen.
Kritik übten Buttgereit und Longolius auch an dem Vorschlag Körtings, die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen und den Übersiedlern aus der DDR keine Rentenansprüche mehr anzurechnen, die sie in der DDR erworben haben. Die SPD habe sich „schon immer für Freizügigkeit eingesetzt“ und werde deshalb „keine Politik betreiben, die die Übersiedlung erschwert“, erklärte Longolius.
Buttgereit äußerte sich anders: Der Flüchtlingsstrom könne „nur gebremst werden, wenn immer mehr DDR-Bürger davon überzeugt sind, daß sie in ihrer Heimat als kritische Bürger gebraucht werden“.
Körting blieb gestern bei seiner Kritik: Die SPD fasse die SED „mit Samthandschuhen“ an. Während sich Ungarn, Polen und die Sowjetunion immer mehr von der SED distanzierten, stärke ausgerechnet die Bundesrepublik - und das gelte für alle Parteien - den DDR-Machthabern den Rücken.
mow
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen