: Besetzer und Christen über Kreuz
■ Martha-Gemeinde will Pfarrhaus-Besetzer räumen / Besetzer und Kirche traktieren sich mit Vorwürfen Gemeindekirchenrat wollte Podiumsdiskussion / Gemeinde ist zu keiner Diskussion mit Besetzern mehr bereit
Um „Moral“ sollte es sich heute abend bei einer Podiumsdiskussion in der Kreuzberger Martha-Gemeinde drehen. Jürgen Pansin, Mitglied im Gemeindekirchenrat, hatte sich gewünscht, daß noch einmal öffentlich über den Hergang der Besetzung der Pfarrdienstwohnung in der Glogauer Straße gesprochen würde, die seit Dezember vergangenen Jahres läuft.
Denn lange wird die Besetzung nicht mehr dauern. Wenn die Gemeinde ernst macht, werden die zwei Männer und zwei Frauen heute geräumt. So jedenfalls steht es in dem Ultimatum, das am vergangenen Mittwoch vom Gemeindekirchenrat an die Besetzer überreicht wurde. Augenblicklich sieht es ganz danach aus, als ob das keine leere Drohung ist, denn in den letzten Monaten haben sich die Fronten zwischen Besetzern und Gemeinde verhärtet.
Dabei hatte sich die Gemeinde spontan mit den Besetzern solidarisch erklärt und ihnen Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung zugesagt. Denn - soviel stand fest - die vier konnten auf keinen Fall in der Pfarrerwohnung bleiben, oder zumindest nur solange, bis ein neuer Pfarrer einziehen würde. Und der kündigte sich im Mai für den 1.September an. Daraufhin bot der Gemeindekirchenrat den Besetzern an, in eine kleine Dienstwohnung der Gemeinde zu ziehen, bis sie etwas Neues hätten. Dieses Angebot schlugen die Besetzer zunächst aus. Als sie sich vor drei Wochen - in Anbetracht des näherrückenden 1.Septembers - dann doch entschlossen, das Angebot anzunehmen, mußten sie feststellen, daß die Wohnung mittlerweile belegt war.
Seit dem tobt der Konflikt. Besetzer und Gemeinde werfen sich gegenseitig falsche Darstellung des Hergangs und mangelnde Diskussionsbereitschaft vor. Vor allem letzteres hat nach Meinung von Jürgen Pansin zu der scheinbar aussichtslos verrannten Situation geführt. Deshalb wollte Pansin auch eine Podiumsdiskussion über Anspruch und Moral sowohl der Besetzer als auch der Kirchengemeinde organisieren.
Doch mit diesem Wunsch, der nach seiner Meinung vielleicht sogar noch eine Zwangsräumung verhindern könnte, steht Pansin allein. Der Gemeindekirchenrat jedenfalls ist zu keiner Diskussion mit den Besetzern mehr bereit - und schon gar nicht öffentlich.
Cornelia Haring
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