: Sportlicher Wettstreit im Elfenbeinturm
Universiade zwischen olympischer Begeisterung und Pfarrfest-Atmosphäre / Politisches mußte draußenbleiben / Auch im Ruhrgebiet wird jetzt verschärft von Olympia 2004 geträumt / Matchwinner ADH ■ Aus Duisburg Thomas Meiser
Koste es, was es wolle, der Spaß hat sich gelohnt. Das ist auch Norbert Gierschs Überzeugung: Der städtische Angestellte hat in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Universiade-GmbH „in nur wenigen Stunden“ den Haushaltsplan für die vorgestern in Duisburg zu Ende gegangenen Welt-Sportfestspiele der Studierenden gemacht. Und „trotzdem kostet die Universiade nur ein Fünftel mehr als die vorgesehenen zehn Millionen“, sagt er - läßt man einmal außer acht, daß die Kommune außerhalb dieser Rechnung noch ein paar Millionen drauflegte: für zeitlich vorgezogene Baumaßnahmen, wie es heißt.
Für Gerd Schwemm, den Grünen im Sportausschuß, sind die Fakten der Universiade-Finanzierung Indizien: „Wenn der politische Wille da ist“, sagt er auf einer der wenigen Hintergrund-Veranstaltungen während der Universiade, „dann ist auch plötzlich Geld für das notleidende Ruhrgebiet da. Die Projekte müssen nur in das Konzept des angestrebten Strukturwandels passen.“ Duisburgs Oberbürgermeister Josef Krings wird ihm hier zweifellos zustimmen, wenn er auch andere Interessen vertritt: „Mit der Universiade ist wieder ein Stück Selbstbewußtsein nach Duisburg gekommen“, sagt er und schürt gleichzeitig illusionäre Hoffnung, daß das Ruhrgebiet Schauplatz der Olympischen Sommerspiele kurz nach der Jahrtausendwende würde.
In diese zweckoptimistische Kerbe haut überdies jeder Strukturwandel-Apologet. Der Chef des Kommunalverbandes Ruhrgebiet, Prof. Jürgen Grambke, versteigt sich gar zu der Äußerung, daß angesichts der gelungenen Universiade -Abwicklung nunmehr „die gesamte bundesdeutsche Wirtschaft hinter dem Ruhrgebiet“ und seiner Olympia-Chance stehe.
Dabei ist der einzige Matchwinner in Sachen des Studierenden-Sportspektakels der Mitausrichter der Universiade, der Allgemeine Deutsche Hochschulverband (ADH). Er hat sich gegenüber Sportminister Schwier mit seiner Forderung durchgesetzt, nach der Universiade die Finanzmittel für den nordrhein-westfälischen Hochschulbreitensport erheblich zu erhöhen. Tatsächlich wird im nächsten Haushaltsjahr der Ansatz um 25 Prozent nach oben gefahren, während der Landeshaushalt nur um durchschnittlich drei Prozent steigt. Außerdem wird die Duisburger Gesamthochschule endlich Mitglied im ADH, denn Rektor Born hatte es schlecht ertragen, bei den Dutzenden Empfängen während der Universiade-Woche als Outsider zu gelten.
In seiner Botmäßigkeit kann der ADH allerdings dem dressierten Gaul von Nicole Uphoff Konkurrenz machen. Die vom ADH federführend gemanagte zweisprachige Tageszeitung 'Universiade-News‘ geriet zur schönfärbenden Hof-Postille. Und fest auf dem Boden des FISU-Reglements, das den Rahmen internationaler studentischer Sportwettkämpfe festlegt, steht der ADH zwangsläufig. So war, als das „China blutet„ -Transparent der „Chinesischen Gemeinschaft“ durch Polizisten vom Areal entfernt wurde, vom ADH nur zu hören, daß diese aufgrund des Protestes der chinesischen Delegation getroffene Maßnahme absolut rechtens sei. Denn schließlich schreibe das FISU-Reglement rund um die Wettkampfstätten „politische Neutralität“ vor.
Wegen diesem sportpolitischen Anachronismus hatte selbst eine Anti-Apartheid-Gruppe auf der neben dem Wedau-Stadion liegenden Kulturwiese Schwierigkeiten: „Wir haben den Informationsstand nur genehmigt gekriegt, weil wir die Apartheid ganz eng mit dem Sportboykott verknüpft haben.“ Auch aus anderem Anlaß zeigte sich auf der Kulturwiese provinzieller Dünkel. Ein Mitarbeiter der einzigen dort ansässigen Vollwertküche wurde von einem anderen Standhalter arbeitsunfähig geprügelt, weil seine Bio-Oase angeblich am falschen Platz stand und dadurch die Umsätze der Bratwurstbude schmälern würde.
Nicht nur wegen der Bratwurstbuden wirkte das von den Veranstaltern gepriesene Konzept der „nahtlosen Verknüpfung von studentischem Spitzensport mit studentenspezifischer Kultur“ teilweise wie das Pfarrfest eines größeren Sprengels. Trotzdem weist Volker Kaufels vom „Neuen Deutschen Theaterinstitut“ darauf hin, daß mehr als 50.000 Zuschauer sich das über 1,5 Millionen teure Kulturprogramm angesehen haben. Allerdings verirrten sich vor allem die Kids der Rock-Diaspora Duisburg und nur wenige aktive Sportler und Sportlerinnen in das Musik-Zelt, wo Nina Hagen, die juvenophile Diva, und Udo Lindenberg, der Gerontokrat, sich gegen Gagen-Vorkasse die Ehre gaben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen