: Das Recht auf's eigene Röntgen-Bild
■ Röntgeninstitute müssen ärztliche Aufzeichnungen und Röntgenbilder-Kopien nicht auch an PatientInnen aushändigen
„Sie wollen Ihre Röntgenbilder haben? Ja wozu denn? Die schicken wir Ihrem Arzt, wenn er sie anfordert. An Sie jedenfalls händigen wir sie nicht aus. Ist ja schließlich unser Eigentum.“ So forsch wie pikiert beschied die Arzthelferin in einer teuer eingerichteten Bremer Röntgenpraxis eine Anruferin. Auch daß die Patientin auf das Stichwort 'Eigentum‘ hin bereit war, die Aufnahmen zu bezahlen, wenn sie auch schon von der Kasse bezahlt waren, half nicht: „Wir haben unsere Anweisungen.“
Die Dame in weiß irrte sich in der Sache gründlich. Seit dem 1. Januar 1988 schon ist bundesweit eine neue Röntgenverordnung (RöV) in Kraft, die neue Rechtsgrundlagen geschaffen hat. In ihrem Aufsatz „Zur Kollision zwischen Aufbewahrungspflicht des Arztes und Herausgabeanspruch des Patienten nach der neuen Röntgenverordnung“ haben die Bremer Anwälte Gläser und Nentwig
die verworene Lage zu klären versucht (Bremer Ärzteblatt 4, 1989).
Daß viele MedizinerInnen sich gegenseitig Unterlagen über Körper und Gesundheitszustand ihrer PatientInnen in verschlossenen Briefumschlägen zukommen lassen und in der Dokumentation der
Praxis sauber ablegen, gefällt und reicht vielen PatientInnen nicht mehr. Umgekehrt ist die ärztliche Scheu, den PatientInnen Gutachten, Unterlagen und eben auch Röntgenaufnahmen in die eigene Hand zu geben, groß - aus Sorge, die Unterlagen gingen ver
loren oder zur „Schonung“ Schwerkranker, denen ihr wahrer Zustand verheimlicht werden soll.
Mit der neuen RöV haben jetzt alle PatientInnen das Recht, Einsicht in die Krankenunterlagen zu nehmen, dort Befunde und Behandlungsmaßnahmen nachzulesen und Kopien anfertigen zu lassen - allerdings auf eigene Kosten: „Wer eine Person mit Röntgenstrahlen untersucht oder behandelt, hat einem diese Person später untersuchenden oder behandelnden Arzt auf dessen Verlangen Auskünfte über die Aufzeichnungen (...) zu erteilen und ihm die Aufzeichnungen, einschließlich der Röntgenaufnahmen, vorübergehend zu überlassen. Auch ohne dieses Verlangen sind Röntgenaufnahmen dem Patienten (...) zur Weiterleitung an einen später untersuchenden oder behandelnden Arzt oder Zahnarzt zu übergeben, wenn dadurch voraussichtlich eine Doppeluntersuchung vermieden werden kann“, sagt § 28, Abs. 6 Röv. Gegenüber der taz erklärte Rechtsanwalt Gläser, daß die Ausrede „Wir leiten die Kopie lieber gleich an Ihren Arzt weiter“ damit nicht mehr sticht, „die RöV sieht nunmehr ausdrücklich auch eine Überlas
sung der Röntgenaufnahmen unmittelbar an den Patienten vor.“ Wenn Röntgeninstitute trotz eindeutiger Rechtslage nichts herausrücken wollen, kann eine Beschwerde bei der Ärztekammer helfen. Voraussetzung ist allerdings die Absicht der PatientIn, die Aufnahme an einen weiterbehandelnden Arzt weiterzugeben - ob dies wahr „oder nur vorgeschoben ist, wird der Arzt nur glauben und nicht prüfen können“ (Gläser).
Geändert bzw. verallgemeinert wurde in der neuen RöV auch die ärztliche Dokumentationspflicht: Während früher genau festgelegt war, was wie zu dokumentieren sei wurde zur besseren Übersicht nur eine Generalklausel beibehalten. Weiter gemeint, aber nicht mehr erwähnt ist etwa, daß auch Fehl-Aufnahmen mit Dosis und Anzahl festgehalten werden müssen.
Damit die PatientInnen einen Überblick darüber behalten, wieviele Aufnahmen wann von ihren Zähnen, Knien und Brüsten gemacht worden sind, gibt es, ebenfalls seit Januar 88, einen Röbntgen-Paß, der dem Impfpass nachempfunden ist. Jede Röntgenaufnahme soll dort eingetragen werden. SU
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