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„Null Problemo“

■ Millionenkunstraub im Schloß Charlottenburg am Sonntag morgen / Spitzwegs „Armer Poet“ von falschem Rollstuhlfahrer von der Wand geschnitten

Millionen-Coup am hellichten Tage im Schloß Charlottenburg: Ein vermeintlich harmloser Rollstuhlfahrer und sein Begleiter stahlen gestern morgen zwei von Berlins berühmtesten Gemälden: „Der Arme Poet“ und „Der Liebesbrief“ des romantischen Malers Carl Spitzweg (1808-1885). Geschätzter Wert nach Meinung von Kunstexperten: jeweils mindestens eine Million Mark.

Die Spitzweg-Diebe kamen als harmlose Museumsbesucher ins Schloß Charlottenburg. Alles ging dort ganz schnell - und aus Sicht der Täter wohl auch sehr problemlos: Mit mitgebrachtem Werkzeug schnitten die Unbekannten im „Saal der Romantiker“ gegen 10.30 Uhr kurzerhand die Sicherheitsdrähte, an denen die kleinformatigen Bilder hingen, durch, ohne sich um den dadurch ausgelösten Alarm zu scheren.

Einen herbeieilenden Wachmann stießen sie zu Boden und rasten los. Auch mehrere Wachmänner zusammen vermochten die beiden bei einer kurzen Verfolgungsjagd nicht mehr aufzuhalten. Zurück blieben dann nur erschöpfte Aufseher, abgeschnittene Drähte, der Rollstuhl - und zwei leere Flecken an den Wänden des Romantikersaals...

Problemlos verlief der Millionenraub für das Duo vor allem auch, weil Carl Spitzwegs Gemälde extrem klein sind: Der „Liebesbrief“ mißt 24 mal 21 Zentimeter, der „Poet“ nebst Schirm, Bett und Dachkammer findet in einem 36 mal 24 Zentimeter großen Rahmen Platz. Aus Sicht von Kunstdieben also ein optimales Quadratzentimeter-Wert-Verhältnis...

Angesichts der großen Berühmtheit der beiden Bilder sind die Chancen allerdings gering, daß sie auf dem internationalen Kunstmarkt Abnehmer für sie finden werden. Denkbar ist allenfalls , daß es sich bei dem Coup um eine „Auftragsarbeit“ für einen Spitzweg-Liebhaber gehandelt hat. Der „Arme Poet“ gilt als das berühmteste Werk des Malers. Wie die Polizei gestern mitteilte, ist der genaue Versicherungswert der Gemälde noch nicht bekannt.

Aus Zeugenaussagen und vom Aufsichtspersonal des Museums erfuhren die Beamten der Kriminalpolizei, daß es sich bei den Dieben des „Poeten“ um zwei 25- bis 30jährige Männer handeln soll, von denen einer größer als 1,80 Meter und dunkelhaarig, der andere etwa 1,75 Meter groß, sportlich und blond sein soll.

Neben diesen eher mageren Personenbeschreibungen kann das zuständige Kunstkommissariat der Berliner Kripo zunächst nur noch Hoffnungen auf die Herkunft des rotgepolsterten Rollstuhls setzen. Und dieses „Tatfahrzeug“ trägt - Zufall oder Absicht - die handgeschriebene Aufschrift „Null Problemo“.

dpa/taz

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