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Weltcupzirkus der Großmeister

■ Garri Kasparow gewann den von ihm selbst eingeführten Schach-Weltcup / Schwerstarbeit für Karpow

Hamburg (dpa) - Der von Weltmeister Garri Kasparow angeführten Großmeister-Vereinigung (GMA), deren Fehde mit dem Internationalen Schachverband (FIDE) und insbesondere mit Präsident Florencio Campomanes immer noch nicht beigelegt ist, hat einen spektakulären Triumph auf dem Weg der angestrebten Eigenständigkeit errungen. Mit großem Erfolg wurde im schwedischen Skelleftea der erste Weltcup im „königlichen Spiel“ mit insgesamt sechs Turnieren abgeschlossen.

Den Sieg beim Turnier in Skelleftea mußte sich Kasparow mit seinem Erzrivalen Anatoli Karpow teilen. Der Weltmeister vergab den greifbar nahen Turniersieg, als er in der letzten Partie gegen den bis dahin unauffälligen Jugoslawen Pedrag Nikolic nur ein Remis erreichte. Karpow ließ sich diese Chance nicht entgehen, entschied die am Vortag nach 61 Zügen abgebrochene Hängepartie gegen den Schweden Ulf Andersson im 68. Zug für sich und zog dadurch mit Kasparow gleich. Den Sieg Kasparows im Gesamt-Weltcup konnte Karpow allerdings nicht verhindern.

Fazit der Weltcup-Serie: In das Spitzen-Schach, das bislang in den Terminrahmen des Weltmeisterschafts-Zyklus eingepreßt war und dadurch stagnierte, ist neues Leben eingekehrt; selten zuvor gab es derart erstklassig besetzte, spannende und gutdotierte Turniere. 1990 folgt die zweite Auflage, neben dem Kampf um die Weltmeisterschaft zwischen Kasparow und seinem noch zu ermittelnden Herausforderer die große Attraktion des nächsten Jahres.

Brüssel (Karpow), Belfort/Frankreich (Kasparow), Reykjavik (Kasparow), Barcelona (Kasparow), Rotterdam (Timman) und Skelleftea (Kasparow/Karpow) waren die Stationen des ersten Weltcups, den der 26jährige dreimalige Weltmeister zusammen mit der Prämie von 100.000 Dollar knapp mit 83 Punkten vor Karpow (81) gewinnen konnte. Er überstand dieses Marathon von 60 Partien in vier von ihm bestrittenen und auch gewonnenen Turnieren immerhin mit nur drei Niederlagen (Karpow, Jussupow, Sokolow). Den zwölf Jahre älteren „Tolja“ Karpow erwischte es dagegen fünfmal, drei unverständliche Niederlagen allein in der Schlußphase von Rotterdam raubten ihm den Turnier- und möglichen Weltcupsieg.

Während sich nun Kasparow auf seinen Lorbeeren ausruhen kann, muß Karpow unerbittlich wieder ans Brett und einen schweren Gang antreten: Es gilt das zweite und vorletzte Hindernis auf dem Wege zu einem erneuten, vierten Match mit Kasparow um die Weltmeisterschaft aus dem Wege zu räumen. Nach seinem glatten Sieg mit 3,5:1,5 Punkten über Johann Hjartarson (Island) ist in London vom 2. Oktober an im Halbfinale des Kandidatenturniers sein Landsmann Artur Jussupow (29) der Gegner. Das zweite Match bestreiten der 37jährige Jan Timman (Niederlande) und Jonathan Speelman (England/33); auf jeden Fall wird also wieder ein UdSSR -Spieler im Finale sein, das sich - ebenfalls in London vom 7. März an anschließt. Dieser Gewinner darf dann 1990 beim Finale in Lyon (Dotierung 3 Millionen Schweizer Franken) Kasparow fordern.

Nicht zu diesem erlauchten Kreis gehört Großmeister Robert Hübner (Porz). Der inzwischen auf den 17. Platz der Weltrangliste abgerutschte einstige Kandidatenturnier -Finalist weigert sich weiter an FIDE-Veranstaltungen teilzunehmen, und verzichtete auf die Teilnahme am Interzonenturnier.

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