piwik no script img

Fatales Feuerwerk im Maracana

■ Zum ersten Mal in seiner Geschichte könnte Brasilien bei einer Fußball-Weltmeisterschaft fehlen

Berlin (taz) - 69. Minute im entscheidenden Qualifikationsspiel zur Fußball-Weltmeisterschaft 1990 zwischen Brasilien und Chile. Brasilien führt im brodelnden Kessel des Maracana-Stadions von Rio de Janeiro vor 160.000 Zuschauern durch ein Tor von Careca hochverdient mit 1:0. Der Weg nach Italien scheint weit offen, da den Brasilianern aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber Chile bereits ein Unentschieden zur Qualifikation genügen würde. Plötzlich schießt die 24jährige Brasilianerin Rosemary Melo „aus Begeisterung“ einen Feuerwerkskörper in den chilenischen Strafraum. Torwart Roberto Rojas fällt um, wird vom Feld getragen und die gesamte chilenische Mannschaft verläßt den Platz, ohne daß der Schiedsrichter das Spiel abgebrochen hat.

Für Trainer Lazaroni und mit ihm ganz Brasilien ist der Fall klar: „Das war eine Inszenierung. Das ist die Art und Weise, wie die Chilenen ihre Teilnahme an der WM erreichen wollen.“ Rojas sei gar nicht getroffen worden, das Blut an seinem Kopf sei ihm nachträglich mit präparierter Watte beigebracht worden.

Schon im Hinspiel in Santiago (1:1) hatte es Spieler- und Zuschauerausschreitungen, zwei rote und eine Flut von gelben Karten gegeben. Die Atmosphäre war aufgeheizt, und die Chilenen kamen erst einen Tag vor dem Spiel mit einer von Diktator Pinochet zur Verfügung gestellten Militärmaschine nach Rio, wo sie sofort von 150 Polizisten zu einem Hotel 40 Kilometer außerhalb der Stadt eskortiert wurden. Nach dem Eklat wurde den Chilenen das Verlassen ihrer Kabine untersagt und eine gerichtsmedizinische Untersuchung des Torwarts angeordnet. Diese ergab „keine Brandverletzungen“. In Santiago wurden inzwischen von einer aufgebrachten Menge Steine auf die brasilianische Botschaft geworfen.

Sollte die FIFA das Spiel für Brasilien als verloren werten, würde das Land zum ersten Mal eine WM versäumen. Ein ähnlicher Fall vor der Europameisterschaft 1988 läßt die Brasilianer jedoch hoffen. Damals hatte beim Spiel Holland Zypern in Rotterdam eine Rakete den zypriotischen Torhüter verletzt. Das Spiel wurde nach einem Beschluß der UEFA wiederholt - ohne Zuschauer allerdings.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen