: Die Anderen: Daily Telegraph/Le Monde/Figaro/Independent/Times
Daily Telegraph
Der konservative 'Daily Telegraph‘ befaßte sich mit der wieder aktuellen Frage einer deutschen Wiedervereinigung:
Die deutsche Wiedervereinigung steht wieder auf der internationalen Tagesordnung. Sollte Moskau sich entscheiden, nicht einzugreifen, wenn die DDR strauchelt und die Demokratie sich ausbreitet, wird der Grund für das Bestehen eines zweiten deutschen Staates verschwinden.
Ohne die Zustimmung der Sowjetunion geht nichts. Vom Kreml aus gesehen könnten die Nachteile eines vereinigten Deutschlands durch die Vorteile eines neutralisierten Deutschlands aufgewogen werden. Eine Neutralisierung könnte die militärische Vorherrschaft der Sowjetunion in Europa durch die Schwächung der europäisch-amerikanischen Beziehungen festigen und gleichzeitig die sowjetische Wirtschaft etwas von der Last der Militärausgaben befreien.
Le Monde
Zur Rolle Ungarns bei der Massenflucht von DDR-Bürgern heißt es in der linksunabhängigen Tageszeitung:
Dem mitten in einer politischen und ideologischen Umwälzung steckenden Ungarn geht es auch darum, 'urbi et orbi‘ und an einem konkreten Menschenrechtsfall zu beweisen, daß es als Nation anerkannt zu werden verdient, die das in der Schlußakte von Helsinki festgehaltene Prinzip der Freizügigkeit respektiert. Die ungarische Sozialistische Arbeiterpartei befindet sich derzeit nach innen wie nach außen im Wahlkampf. Die von Imre Poszgay angeführten Reformer, die innerhalb der Partei eine Minderheit bilden, aber von einem großen Teil der Gesellschaft unterstützt werden und im Außenministerium verankert sind, machen das Problem der DDR-Flüchtlinge zum Test ihrer Stärke und ihrer Glaubwürdigkeit im Land und auch zum Test ihrer Fähigkeit, dem arroganten und marxistische Lehren erteilenden Verbündeten in Ost-Berlin ihren Standpunkt aufzuzwingen.
Figaro
Der konservative 'Figaro‘ schreibt zur Massenflucht aus der DDR:
Wie läßt sich erklären, daß Ost-Berlin seinen Bürgern Visa für Ungarn erteilt? Auch die legale Emigration nach Westdeutschland nimmt deutlich zu. Ost-Berlin ist sichtlich in der Defensive, und die DDR versucht der Notwendigkeit von Reformen auszuweichen, indem sie das Sicherheitsventil öffnet, was darauf schließen läßt, daß die Öffnung nach Westen für die Überläufer nicht mit Moskau abgestimmt wurde. Es fällt auf, daß die Ausreiseanträge aus den südlichen Regionen der DDR, wo die politische Unruhe größer ist, schneller bewilligt werden als anderswo.
Independent
Der unabhängige 'Independent‘ kommentiert die bevorstehenden Wahlen in Südafrika:
Für de Klerk ist die Logik des wahrscheinlichen Szenarios nach den Wahlen unerbittlich: Wenn seine Reformen nicht so grundlegend sind, daß sie auch den Schwarzen das volle Wahlrecht zugestehen, wird die Konservative Partei an Macht gewinnen. Ein solches Szenario würde in extremer politischer Polarisation enden, in Unterdrückung, Bürgerkrieg, umfassenden Sanktionen und vielleicht einer militärischen Machtübernahme.
Times
Die konservative 'Times‘ meint zum gleichen Thema:
Wenn de Klerk gewinnt, hat er bestenfalls fünf Jahre, um Südafrika so zu verändern, daß die Konservative Partei als historische Mißbildung zurückgewiesen wird. Sollen sowohl die Hoffnungen der Radikalen der extremen Linken als auch der extremen Rechten zunichte gemacht werden, wird die in dieser Woche gewählte Regierung den Übergang zu einer 'Inklusiv-Demokratie‘ vollziehen müssen.
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