: Diese Verhältnisse müssen ein Ende haben
Offener Brief der Demokratischen Massenbewegung (Mass Democratic Movement) an den amtierenden Staatspräsidenten Südafrikas, Frederik de Klerk ■ D O K U M E N T A T I O N
Die Demokratische Massenbewegung, die die Hoffnungen von Millionen SüdafrikanerInnen, schwarz wie weiß, vertritt, möchte Sie gerne über unsere Meinung zu den Wahlen am 6. September 1989 informieren.
Wir meinen, daß Apartheid einen Anachronismus darstellt, der endlich vom Angesicht der Erde verschwinden muß. Apartheid hat auf unserem Kontinent unendlich viel Leid, Konflikte und Armut verursacht.
Die soziale Struktur des Familienlebens Millionen schwarzer SüdafrikanerInnen wurde durch Apartheid-Gesetze wie das zur Rassentrennung in Wohngebieten (Group Areas Act), das zur Klassifizierung der Bevölkerung in Rassengruppen (Population Registration Act) oder jenes zu Wanderarbeit schwer erschüttert. Von Apartheid geprägte ökonomische wie politische Entscheidungen haben zu finanziellem Ruin und politischem Zerfall geführt. Millionen sind ohne Arbeit, die Inflation wächst und Korruption wie auch Skandale durchsetzen die politische Struktur, die durch Apartheid geschaffen wurde.
Die von Ihrem Parlament zugelassene Verschärfung der Arbeitsgesetzgebung wird weiterhin von Arbeitgebern benutzt, um gegen die Gewerkschaftsbewegung vorzugehen und jene Strukturen und Rechte zu unterminieren, die wir in jahrelangen, zähen Verhandlungen errungen haben.
In unserem Land eskaliert der innenpolitische Konflikt, weil Ihre Regierung nicht aufhört, Gesetze gegen den Willen der unterdrückten Mehrheit anzuwenden.
Diese Verhältnisse müssen ein Ende haben. Unser Volk hat durch das Apartheid-System zu viele Leben verloren und genug gelitten. Sie behaupten unterdessen, daß Apartheid tot sei. Einige Ihrer Minister sagen, daß Apartheid wie ein Klotz am Bein der Regierung sei. Die Kampagne zivilen Ungehorsams, die von der Demokratischen Massenbewegung initiiert wurde, ist der friedliche und gewaltfreie Weg, Sie und Ihre Regierung von diesem Klotz zu befreien.
Doch die brutale Reaktion der Sicherheitskräfte unter Ihrer Verantwortung zeigt gerade, daß Apartheid in Südafrika lebendig ist, daß es ihr gut geht. Ja, alle Pläne Ihrer Regierung verweisen darauf, daß Sie das System verteidigen.
Das werden die Demokratische Massenbewegung und Millionen schwarzer und weißer SüdafrikanerInnen, nicht länger hinnehmen. Wir lieben Frieden, und wir glauben an Demokratie und Gerechtigkeit. Und wir sind zugleich sicher, daß Apartheid mit Frieden und Gerechtigkeit unvereinbar ist.
Wir appellieren daher an Sie und Ihre Regierung, endlich ein Klima herzustellen, das eine friedliche Lösung der Probleme unseres Landes ermöglicht. Dazu gehören die bedingungslose Freilassung aller politischer Gefangener und Häftlinge, die Wiederzulassung aller gebannter Organisationen, das Ende politischer Prozesse und Hinrichtungen, der Abzug von allen Truppen aus den Townships, das Ende des Ausnahmezustands und aller Formen der Repression und die Aufhebung aller diskriminierender Gesetze.
Erst die Erfüllung dieser Bedingungen wird es allen Menschen in Südafrika erlauben, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu praktizieren. Erst das wird es auch unseren wahren und vom Volk gewollten Führern und Organisationen ermöglichen, über einen dauerhaften Frieden in unserem Land zu verhandeln.
Ihre heutigen Wahlen symbolisieren immer noch Apartheid und Fortsetzung weißer Minderheitsherrschaft. Selbst bei Indern und Farbigen wird Ihr Dreikammernsystem mit großer Mehrheit abgelehnt. Die, die dann doch an den Wahlen teilnehmen, sind in der Minderzahl und man betrachtet sie als Partner der Apartheid.
Die Demokratische Massenbewegung hat zu landesweiten, friedlichen Protesten am 5. und 6. September aufgerufen. Wir haben an unsere Leute appelliert, ihre Ablehnung des Apartheid-Systems diszipliniert und friedfertig zum Ausdruck zu bringen.
Das wird getan, weil Millionen unseres Volkes wütend und entsetzt darüber sind, daß über ihre Zukunft immer noch mit einer Wahl entschieden wird, die rassistisch ist, weil sie die Mehrheit der südafrikanischen BürgerInnen wegen ihrer Hautfarbe ausschließt.
Wir fordern statt dessen, daß unser Recht auf friedlichen Protest von Ihrer Regierung respektiert wird - insbesondere von Adriaan Vlok, Ihrem Minister für Recht und Ordnung, und dessen Sicherheitskräften.
Wir appellieren des weiteren an Sie, entschieden für die Einrichtung der Verhältnisse einzutreten, die Millionen von SüdafrikanerInnen fordern. Es gilt keine Zeit zu verlieren. Wenn Sie unser Bekenntnis zu Frieden und Gerechtigkeit teilen, dann sollten Sie das jetzt zeigen.
Im Auftrag der Demokratischen Massenbewegung gezeichnet von: 1. Jay Naidoo, Generalsekretär von Cosatu
2. Sydney Mufamadi, stellvertretender Generalsekretär von Cosatu
3. Cyril Ramaphosa, Generalsekretär der Bergarbeitergewerkschaft NUM
4. Titus Mafulo, UDF-Mitglied
5. Murphey Morobe, Öffentlichkeitssekretär, UDF
6. Frank Sabelo, Vizepräsident von SAHWCO (South African Health Workers Congress)
7. Pius Langa, Präsident NADEL (National Association of Democratic Lawyers)
8. Dr. Alan Boeak, Präsident des Reformierten Weltbundes
9. Dr. Max Coleman, Gründungsmitglied des „Unterstützungskomitees für die Eltern Inhaftierter“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen