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„Friedenstag“: Schweigen im Walde

■ Nach der umstrittenen Aufführung des „Friedenstags“ von Richard Strauss in der Deutschen Oper ist weder Intendant noch Bundespräsident zu sprechen: „Es herrscht kein Erklärungsbedarf“

Berlin (taz) - „Ja, was meinen Sie denn? Dazu ist er doch Intendant, daß er die Programme gestaltet“, sagt die Sekretärin. Götz Friedrich, Chef der Deutschen Oper Berlin, hat Richard Strauss‘ Friedenstag - eine Oper, die 1938 uraufgeführt und von Goebbels und Hitler außerordentlich geschätzt wurde - selbst aufs Programm gesetzt, in einer Festveranstaltung zum 40. Todestag des Komponisten am letzten Sonntag und, wissentlich oder nicht, im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Kriegsbeginn vor fünfzig Jahren. Warum er das getan hat, läßt sich nicht ermitteln. Friedrich ist auf Reisen, und niemand sonst im Hause, so seine Sekretärin, sei befugt, sich über die Entscheidungen des Herrn zu äußern. Offen bleibt also, warum nicht wenigstens im offiziellen Programmheft historische Recherchen zitiert werden, sondern nur vage vom „Pazifismus“ des Friedenstags die Rede ist, ohne Hinweis darauf, daß dieser Pazifismus in Goebbels‘ Propagandaministerium begeistert aufgenommen wurde: „Dieser 'Pazifismus‘ ist auch der Pazifismus des Führers.“ Die seriöse Strauss-Forschung hat die Verstrickung des Komponisten, auch nach seinem Rücktritt als Präsident der Reichsmusikkammer (1935), längst nachgewiesen, und der konservative Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus hat schon 1986 in einem leicht zugänglichen Essay durch werkimmanente Analyse gezeigt, daß die Ästhetik des Friedenstags der des Faschismus bedenklich nahe kommt. Offen bleibt also auch, ob Friedrichs Veranstaltung gezielt zur politischen Rehabilitation des Komponisten dienen sollte, die durch die Anwesenheit des Bundespräsidenten, fünfzig Jahre und zwei Tage nach Kriegsbeginn, zu allem Überfluß einen offiziellen Charakter bekam.

Im Bundespräsidialamt war auf die Frage, ob der Bundespräsident sich nicht genau überlegen sollte, welche Veranstaltungen er durch seine Anwesenheit beehrt, keine Auskunft zu bekommen. Pressesprecher Dr. Fritz: „Es gibt in dieser Sache keinen Erklärungsbedarf von seiten des Bundespräsidenten.“

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