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Die neue Buga soll die alten Löwen wiederkriegen

■ Die Umweltverwaltung stellte gestern ihr Konzept für die Gestaltung der Buga 1995 vor / Vieles in der Planung ist noch unkonkret / Wo die Gewerbebetriebe auf dem Moabiter Werder hin sollen, ist immer noch unklar / Wieviele Wohnungen gebaut werden, weiß bislang keiner

„Jetzt sollten wir aber schnell von hier verschwinden, sonst kommt womöglich noch ein Stadtrat“, sorgt sich Buga -Geschäftsführer Gottfriedsen und drängelt die Journalisten zum Einsteigen in den Bus. Die Senatsumweltverwaltung stellte gestern den Tiergartener Teil ihrer Bundesgartenschauplanung per Presserundfahrt vor.

Bis 1995 sollen sich 200 Hektar Grün von Tiergarten über das Gleisdreieck bis zum Schöneberger Südgelände erstrecken

-offenbar nicht überall unumstritten. „Wir haben Angst, daß Gottfriedsen uns wie eine Dampfwalze überrollt“, wenden sich die Künstler der Gruppe „Odious“, flankiert vom Tiergartener Volksbildungsstadtrat Schmidt, an die anwesende Journalistenschar. Odious entwirft Stahlskulpturen und residiert in einer alten Lagerhalle am Humboldthafen, ein Gebäude, auf das allerdings auch die Buga begierige Augen geworfen hat.

Aber nicht nur danach verlangt die Buga. Das Herzstück der Ausstellung „mit Blumenbeeten und Eintrittsgeld“ soll um den Lehrter Bahnhof entstehen. Hier war bereits 1892 eine Gartenschau. Von der zeugen nur noch die kümmerlichen Mauerreste eines vormaligen Glaspalastes, der im Zuge der unbehutsamen Stadterneuerung der fünfziger Jahre geschleift wurde. Geplündert wurden sogar die letzten zwei Portalslöwen des Mauerrests, und zwar vom Museum für Verkehr und Technik. „Aber die werde ich in einer Nacht- und Nebel-Aktion zurückklauen“, zürnt Gottfriedsen. Schließlich wolle man an die Tradition wieder anknüpfen.

Der umstrittenste Teil der Ausstellung ist das Moabiter Werder, ein schmaler Gewerbestreifen am Spreeufer. Drei Entwürfe wurden nach einem Wettbewerbsverfahren überarbeitet, so recht zufrieden ist damit niemand, auch nicht die federführende Umweltverwaltung. Die stellte gestern vorsichtshalber nur „einige Festpunkte“ der Planung vor. Bausenator Nagel hatte zuvor gegen den Willen des Bezirksamtes Tiergarten beschlossen, dort in einem 1.Bauabschnitt 600 Wohnungen statt der geplanten 200 errichten zu lassen. In einem zweiten Bauabschnitt sollen noch 600 weitere folgen. Seitdem versuchen sich Architekten in der Quadratur des Kreises, nämlich auf der 23 Hektar großen Fläche noch Platz für unspontanes Grün zu lassen und trotzdem auf allzuviele Hochhäuser zu verzichten, die die Altbauten gegenüber verschatten würden. Ungeklärt ist auch, was und wann was mit den 61 Betrieben auf dem Moabiter Werder passiert, von denen der größte die Spedition Harry Hamacher ist. Zwar gibt es einen Senatsbeschluß, daß der Wirtschaftssenator die umsetzen soll, aber Ersatzflächen sind knapp. Nach der Umsetzung steht noch eine Bodensanierung an, denn dort wurde mit Teer und Öl hantiert. Und das Wäldchen hinter Hamacher, durch das die Journalistengruppe trampelt, soll schließlich bis 1995 nicht das einzige Grün bleiben.

„Hier ist eine ungeheuer wilde und spannende Spontanvegetation“, meint Gottfriedsen, als wir in Richtung Spreeufer durchbrechen. Auf die administrativen Tücken der Spontanvegetation weist Karl-Heinz Wuthe von der Umweltverwaltung hin. „Wenn die Beeren, die die Frau Profe jetzt ißt, giftig sind, dann macht das nichts, denn die ist bei uns angestellt und versichert, aber wenn sich Besucher hier verletzen, dann haftet die Verwaltung.“ Um ihre Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen, verwandelte die Senatsbauverwaltung letztes Jahr das vormals spontangrüne Lennedreieck per Munitionssuche in einen löwenzahnbewachsenen Bolzplatz. Das will die Umweltverwaltung dem spontanbelassenen Naturgrün der Buga ersparen. Deshalb läßt sie prüfen, wie man spontane und administrative Bedürfnisse rechtlich unter einen Hut bringt.

Nicht nur Wohnungen freilich soll das Werder beherbergen, auch eine Kita ist vorgesehen, vorerst im Schatten eines Hochhauses. Und eine Grundschule, von allen für nötig befunden, ist geplant. Bislang im Gespräch dafür ist die denkmalgeschützte Lagerhalle der Spedition Hamacher. „Da könnte aber auch eine Freizeiteinrichtung hinkommen oder ein Kindermuseum“, meint Wuthe weiter. „Wir wollen keine fertige Planung hinstellen, sondern wollen die mit den Bürgern diskutieren und erarbeiten“, versichert seine Kollegin Beate Profe. Diskutiert wird noch vieles um die Buga herum: so verhandelt der Senat derzeit mit der DDR, den Verkehr dort neu zu gestalten. Die Entlastungsstraße, derzeit eher eine „Belastungsstraße“, könnte nach Osten verlegt werden, der Senat wünscht sich die Öffnung des S-Bahnhofes Potsdamer Platz. Außerdem soll die Nord-SÜd-S-Bahn an den U-Bahnhof Gleisdreieck angebunden werden, ein neuer S-Bahnhof soll zwischen Bellevue und Lehrter Stadtbahnhof entstehen. Auch über die Zukunft des Lenne-Dreiecks wird noch debattiert, man weiß zum Teil noch nicht, wem die Grundstücke gehören. Aber weder beim Lenne-Dreieck noch am Potsdamer Platz werde die Buga einer späteren baulichen Lösung im Wege stehen, versichert Gottfriedsen. Da wird sich Nagel aber freuen.

Eva Schweitzer

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