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Propaganda der falschen Träume

■ Ab 14. September im Kino: Indiana Jones und der letzte Kreuzzug von Steven Spielberg

Die Welt ist schlecht eingerichtet: Noch immer gibt es keinen Traumaufzeichner, keine Maschine, die man im Schlaf an den Kopf anschließt und die alles, was da so hin- und herfließt zwischen den Ohren, auf Videoband aufzeichnet und in Bilder und Töne übersetzt. Nach dem Erwachen müßte man nur noch eine Kassette zurückspulen und könnte sich die spannendsten, wüstesten, knalligsten und kitschigsten Filme ansehen; nicht zur Tiefseelenforschung, einfach so, zur Unterhaltung: Wer träumt schon so langweilig, wie Wim Wenders Filme dreht?

Gibt's aber nicht, diese Maschine. Man muß ins Kino gehen und sich mit den Bemühungen der Damen und Herren Filmschaffenden begnügen. So findet man sich morgens um elf, eigenen Mantel-und-Degen-Träumen („Ha, Schurke, nimm das!“ „Aaah...“) kaum recht entronnen, im Berliner Royal-Palast -Kino wieder, von der siebzig Meter breiten Panoramaleinwand tost Steven Spielbergs neueste Bildersturmflut herab, Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, und mundoffen -äugleinreibend, wie festgeschnallt, sitzt man da und staunt.

Wie schon in Jäger des verlorenen Schatzes und in Indiana Jones und der Tempel des Todes wird auch im dritten und letzten Teil der Indiana-Jones-Trilogie wieder alles mit allem verkeilt: Eilige Amis und Heiliger Gral, christlicher Schmonzes und Nazi-Pomp, ein Mythen- und Mystifix-Mix, der einem in überschnappendem Tempo um die Sinne geklatscht wird und Atem- bzw. Reflexionspausen gezielt unterbindet, damit man nicht bereits während des Stierens das Bewußtsein wiedererlangt.

Es stimmt rein gar nichts an diesem Konglomerat, aber das stört nicht, im Gegenteil. Von Steven Spielberg, dem Chronisten, Propheten und Propagandisten der gefälschten Träume, hat man nichts zu erwarten als genau die Verbreiung und Ummuddelung von Geschichte, die er erneut in funkelnder Perfektion abliefert. Anfangs sieht man den Helden, Herrn Indiana Jones, in jugendlich-zartem, noch prägungsfähigem Alter: Als Pfadfinder (und damit berufsmäßiger Tugut) erwischt Indy einen Grabräuber, der sich gerade fremder Leute Kultur unter die gierigen Nägel reißt. Der Schänder, ein ganzer Kerl trotz allem, trägt Hut, Stiefel, Lederjoppe, Peitsche und Colt. Oha! Seltsam! So sieht doch - genau, verstehe! - exakt so sieht 25 Jahre später der echte Indiana Jones aus! Und der hat, durch diese quasi -biographische Einführung, zackzack eine Geschichte. So fix kann das gehen.

Und fix geht es dann auch zur Sache: Harrison Ford, der als unrasierter Abenteurer wie als geleckter Gelehrter gleichbleibend männlich gut aussieht, muß als Indiana Jones wieder einmal durch aller Herren Länder ziehen. Diesmal genügt ihm bzw. Herrn Spielberg kein profaner Schatz als Gipfel der Wonnen: Der Heilige Gral muß es sein, die inneren Werte, der spirit, die roots sozusagen, müssen aufgestöbert werden.

Zufälligerweise (oder hier besser: Gottseidank) ist gerade 1938, sodaß als Gegenspieler des Helden und seiner Freunde (wir alle) auch ein paar Nazis zur Verfügung stehen, einer blonder, dämlicher, sadistischer, verschlagener und schurkischer als der andere. Das sieht man gern.

Vor allem, wenn das banale Böse in Gestalt einer Nazi-Else anrückt, bei der nicht nur Indiana Jones/Harrison Ford vor Anker geht, sondern auch - was für ein Schachzug - sein Vater! Sean Connery! Der Ur-Bond als Pappi des amerikanischen Märchenkinos! Und das zu einer Zeit, in der die James-Bond-Serie mit Connerys Nach-Nachfolger Timothy Dalton in der Titelrolle gerade vollständig abwirtschaftet das lappt ins Geniale.

Obwohl Connery in nicht wenigen Sequenzen des Films eine eigentümliche Ähnlichkeit mit PRegierungssprecher Jonny Klein anhaftet, also etwas durchaus Unheldisches, ja Kleinkariertes, kann doch nichts mehr schiefgehen. Wie viele andere mittelmäßige bis miese Filme der letzten Zeit (Der Name der Rose, The Untouchables) profitiert auch Indiana Jones und der letzte Kreuzzug von Sean Connerys lässiger, selbstverständlicher, unangestrengter Präsenz, und in der Originalfassung darf man wieder einmal freudig erfahren, daß englisch und amerikanisch die unterschiedlichsten Sprachen der Welt sind: „Mmmbbrrssnnfatherr?“, mampfelt Harrison Ford, „Yes, son?“ kommt es spitz und dezidiert aus Connerys Mund zurück.

Ungebremst tobt die Spielbergsche Menschen- und Materialschlacht, teufelt über den Betrachter hinweg oder frontal in ihn hinein. Es wird geballert, geknattert, gesprengt, geheldet und gesiegt bis zum Endziel, dem Heiligen Gral.

Da wird es dann rührend und moralisch, Sohn rettet Vater, Vater rettet Sohn, und wenn am Schluß alles getan, also verwüstet ist, hat Familie Jones bzw. Amerika sich selbst gefunden. Der roten Sonne reiten die Guten und Tapferen entgegen, und weil sie am heiligen Becherchen unseres Herrn Jesus genippt haben, müssen die armen Kerle ewig weiterleben. Geschieht ihnen recht.

Wiglaf Droste

Steven Spielberg: Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, mit Harrison Ford, Sean Connery, Denholm Elliott, River Phoenix u.a., USA 1989, gut zwei Stunden

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