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„Panzerknacker“ verhandeln weiter

In Wien werden heute die Verhandlungen über konventionelle Stabilität in Europa wiederaufgenommen / Streitgegenstand sind die Kampfflugzeuge und -hubschrauber / West-östlicher Abrüstungsoptimismus  ■  Aus Wien Andreas Zumach

In der Wiener Hofburg beginnt heute nach zweimonatiger Pause die dritte Runde der Verhandlungen über konventionelle Stabilität in Europa (VKSE) zwischen der Nato und der Warschauer Vertragsorganisation (WVO). Ebenso wie Bundesaußenminister Genscher und Nato-Generalsekretär Wörner verbreitete gestern auch die östliche Seite Optimismus darüber, daß bis Mitte nächstens Jahres ein Vertrag über die Verschrottung Zehntausender von Panzern und Kampfflugzeugen unterschriftsreif ist. Der Leiter der sowjetischen Delegation, Botschafter Grinevsky, wies darauf hin, daß in den vergangenen Sitzungen „ein einmaliger Durchbruch“ gelungen sei. Die Grundlagen für einen Abschluß innerhalb eines Jahres seien geschaffen.

Die stärksten Gegensätze zwischen den Verhandlungspartnern gibt es über die Art und den Umfang der einzubeziehenden Kampfflugzeuge und -hubschrauber. Über künftige Obergrenzen von Panzern, Schützenpanzern und Artillerie hatten sich die im Wiener Volksmund als „Panzerknacker“ titulierten Diplomaten beider Militärbündnisse in den ersten beiden Verhandlungsrunden schon weitgehend angenähert.

In Wien wird mit einer Präzisierung eines Nato-Vorschlags gerechnet, der als künftige Obergrenze auf beiden Seiten jeweils 5.700 Kampfflugzeuge und 1.900 Kampfhubschrauber festlegt.

Aus westlichen Delegationen verlautete jetzt, daß eine Reduzierung modernster Flugzeuge wie etwa der für die Bestückung mit neuen nuklearen Abstandsraketen vorgesehenen F-111 oder der F-16 nicht in Frage käme. Außerdem besteht Frankreich weiterhin darauf, seine atomar- wie konventionellfähigen Flugzeuge von Abrüstungsschritten auszunehmen.

Im Juli hatte die Nato zur allgemeinen Verwunderung ihren bisher noch mit knapp 5.000 bezifferten Bestand an Kampfflugzeugen und -hubschraubern mit rund 6.600 angegeben. Kalkül der Nato ist offensichtlich, die neuerdings mitgezählten alten Modelle, Trainingsflugzeuge und Depotbestände bei der 15prozentigen Reduzierung auf die künftige Obergrenze 5.700 mitzuzählen. Kampfflugzeuge und -hubschrauber, die auf Flugzeugträgern im Atlantik oder Mittelmeer stationiert sind, will die Nato nicht einbeziehen, dafür jedoch die von der UDSSR nicht als „Kampfflugzeuge“ definierten, im Hinterland zur „Heimatverteidigung“ stationierten Abfangjäger.

Die WVO schlägt - unter Ausklammerung dieser „Heimatverteidiger“ - künftige Obergrenzen von jeweils 1.500 Kampfflugzeugen und 1.700 Kampfhubschraubern vor. Zu Beginn der bereits am Mittwoch wiederaufgenommenen Wiener Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen (VVSBM) bereiteten die 35 KSZE-Teilnehmerstaaten ein für das Frühjahr 1990 geplantes Seminar über die Militärdoktrinen in Ost und West vor.

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