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Hamburg könnte, wenn die SPD wollte...

Noch hält die Hansestadt eine Sperrminorität an MBB / Während die Bundes-Sozialdemokraten gegen die Fusion wettern, treiben die Hamburger GenossInnen sie voran - zur Sicherung der Arbeitsplätze  ■  Aus Hamburg Florian Marten

Wenn heute FDP-Minister Haussmann dem Aufkauf von MBB durch Daimler-Benz seine ministrablen Weihen gibt, stehen einige Politiker lieber an der Seite und freuen sich im Stillen: die Hamburger Sozialdemokraten.

Schon Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hatte Ende Juli in seinem Hamburger Wochenblatt 'Zeit‘ für sich in Anspruch genommen, daß er persönlich einst Top-Manager der Deutschen Bank und Daimler Benz mit viel Überredungskunst dazu angestiftet habe, an die jetzt bevorstehende Fusion heranzugehen, um der bundedeutschen Raumfahrt- und Rüstungsindustrie keine künftigen Weltmarktchancen zu verbauen. An mindestens ebenso entscheidender Stelle wurden in den letzten Monaten seine Hamburger Genossen, allen voran SPD-Bürgermeister Henning Voscherau, tätig. Voscherau ließ sich sogar in den MBB-Aufsichtsrat entsenden und erklärte die Fusionsverhandlungen zur Chefsache. Denn öffentlich weitgehend unbekannt ist, daß Hamburg mit seinem 18,6 Prozent-Anteil an MBB über eine Sperrminorität verfügt: Selbst nach der Haussmann-Genehmigung könnte Hamburg theoretisch den großen Deal immer noch scheitern lassen.

Die starke Position Hamburgs wurde von der SPD aber nicht etwa nach dem Motto 'Eigentum verpflichtet‘ oder den Empfehlungen des Hamburger Friedensforschungsinstitutes mit seinem Chef Egon Bahr geführt - die Friedensforscher hatten in Studien immer wieder zur Rüstungskonversion geraten. Henning Voscherau ging es allein um materielle Vorteile für den MBB-Standort Hamburg, wo im Airbus-Werk Finkenwerder mit fast 6.000 Beschäftigten eine der größten Flugzeugfabriken der Welt steht. Wichtiger noch: MBB ist der größte Metallarbeitgeber der Stadt.

Dem Verhandlungsgeschick hinter den Kulissen, bei dem Hamburg den Zuschlag für den Sitz der Deutschen Airbus erhielt, die zukünftige Zentrale der zivilen MBB-Luftfahrt, entsprach die Geräuschlosigkeit im öffentlichen Raum. In keinem der rüstungs- und friedenspolitisch sonst so aktiven Hamburger SPD-Gremien wurde das Thema der Fusion überhaupt auch nur diskutiert. Offizielle Stellungnahmen verweigern Parteilinke bis heute. Unter vier Augen heißt es dann bloß: Es sei politisch aberwitzig, wenn Hamburg den Deal stoppen wolle.

Neben dem Sitz der Deutschen Airbus, die zukünftig von der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace (Dasa) in München beherrscht werden wird, glauben die Hamburger vor allem von einer neuen Airbus-Fertigungslinie in Hamburg zu profitieren. Bislang produziert Hamburg nur Teile, die Endmontage des Fliegers findet in Toulouse statt. Das Gewicht von Daimler-Benz, so die intern geäußerte Hoffnung, könne die Franzosen, die auch die mögliche zweite Endfertigung in Toulouse haben wollen, zum Nachgeben zwingen.

Deutsche Airbus

als AG oder GmbH?

Daß Hamburg sich bei den Hoffnungen auf großen Profit durch die Fusion aber verkalkuliert haben könnte, zeigt der derzeit heftig hinter den Kulissen geführte Streit um die rechtliche Konstruktion der Deutschen Airbus. Hamburg will die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, Daimler-Benz hingegen die einer GmbH. Der Grund: Bei der GmbH hat der Eigentümer stärkere Durchgriffsmöglichkeiten auf das Management. Und an diesen Möglichkeiten ist Daimler-Benz sehr gelegen, wie Jürgen Schrempp, der Chef der neuen Dasa und frühere Vorständler bei Daimler-Benz in Südafrika, in einem Interview klarmachte: „Wir haben bewußt keine Standortgarantien gegeben. Wir haben aber gesagt, daß wir auf gewachsene Strukturen Rücksicht nehmen, solange sie technologisch und betriebswirtschaftlich sinvoll sind.“

Im Klartext: In Zukunft, wenn Hamburg über keinerlei Sperrminorität mehr verfügt, kann die Dasa sehr wohl beim Standort Hamburg-Finkenwerder rationalisieren - etwa im Forschungsbereich zugunsten des Standorts München. Und unrentabel bleibt die Airbus-Fertigung, die über halb Europa verteilt ist, auch dann, wenn die zweite Endmontage nach Hamburg vergeben würde.

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