: S C H O E N E R L E B E N Im 7.Passagenhimmel
■ Bremen wird brachial hannoverisiert
Hamburg hat's. Nun ja. Aber Hannover, dies unbegnadete, schwach inspirierte Konglomerat auf dem Weg nach Berlin hat's auch. Und das tut weh, ein Stachel im Arsch der Imagemaschine, denn Bremen hat's noch nicht. Noch nicht.
Wer kennt die Große Hundestraße? Oder gar die kleine? Dort wächst es, in den Himmel, gigantisch, brachial, und möchte endlich auch Bremen in den siebten Passagenhimmel katapultieren, endlich, nach all den Passagenflops beim Hillmann, am Bahnhof, beim Ansgarikirchhof. Die Lloydpassage: Glas und Stahl und bannig schwer, ein neckisch Türmlein in der Mitte, es wird kein 'drinnen‘ mehr geben noch ein 'draußen‘. Treibhaus für Kaufrauschwünsche, wird sie den konsumierenden Massen zwischen Karstadt und Horten regenwetters einen trockenen Fuß ermöglichen. Und Kundschaft aus der Sögestraße absaugen, bevor sie in den Lockstrudel der Obernstraße gerät.
Nur Kommerz also? Hätten Bund und Land so manches Steuermittelchen zugeschossen, damit am Dollen Ding niemand mehr vorbeikommt? Neinnein, die Hannoverisierung Bremens zielt auf ihn, den 'neuen Sozialisationstypus‘. Waren Sie mal Sonntags in der Innenstadt? Eben! Tausende schwappen durch die City, und es gibt nichts, aber auch gar nichts zu kaufen! Nicht das klitzekleinste Sonderangebot. Die neuen Passagen gelten einem neuen Menschen, der, adrett und gutgelaunt, sich sehen lassen kann: dem Flaneur. Und ihr: der Flaneuse. Burkhard Straßman
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen