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Ohne Aufruhr zusammengeschrumpft

Die IG Bergbau und Energie hatte stets alles im Griff / Der Strukturwandel aber schafft den Steigern Probleme  ■  Aus Bochum Walter Jakobs

Heute feiert die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) ihren hundertjährigen Geburtstag. Innerhalb der deutschen Gewerkschaftsbewegung spielt diese Gewerkschaft eine einmalige Sonderrolle. Sie kann einen Organisationsgrad von 92,6 Prozent vorweisen, von dem die Gewerkschaften in den anderen Branchen nicht mal zu träumen wagen. Dabei hat kaum ein anderer Wirtschaftszweig in den letzten Jahren einen derart einschneidenden Strukturwandel erlebt, wie der deutsche Steinkohlenbergbau.

1970 wurden in der Bundesrepublik von 253.000 Bergleuten auf 69 Zechen 111 Millionen Tonnen Steinkohle gefördert. 1988 waren es noch 148.000 Knappen, die auf 31 Zechen 73 Millionen Tonnen aus der Erde holten. Daß dieser gigantische Arbeitsplatzabbau ohne große Eruptionen über die Bühne ging

-ein „Rheinhausen“ im Bergbau hat es nie gegeben - ist ausschließlich der IGBE zuzuschreiben.

Das gewerkschaftliche Credo der IGBE hat deren langjähriger Vorsitzender Adolf Schmidt einmal so beschrieben: „Wenn wir auf die Straße müssen, haben wir schon verloren.“ Verhandeln statt demonstrieren, Kompromisse und keine radikalen Sprüche, Verträge anstelle von Klassenkampf - dies waren die zentralen Leitlinien der Gewerkschaft in den letzten beiden Jahrzehnten. Und so wird es bleiben, auch wenn die Schwierigkeiten zunehmen.

Das Fundament des deutschen Steinkohlebergbaus bildet inzwischen der 1980 abgeschlossene Jahrhundertvertrag, der für 15 Jahre die Lieferungen zwischen den Zechen und den Kraftwerken regelt. Aktuell werden 41 Millionen Jahrestonnen verstromt. Eigentlich sollte diese Menge bis 1995 auf 45 Millionen Tonnen pro Jahr anwachsen. Weil aber die Preisdifferenz zwischen der deutschen Steinkohle und den importierten Energieträgern in den letzten Jahren immer größer wurde, ließ sich die Menge nicht halten. Die Zahlungen an die Stromwirtschaft, die diese Preisdifferenz über den Kohlepfennig ersetzt bekommt, und weitere Hilfen ließ die Gesamtsubvention für die Kohle auf etwa zehn Milliarden Mark im Jahr hochschnellen.

Angesichts dieser Lage sah sich die IGBE im August 1989 gezwungen, der Festschreibung auf 41 Millionen Tonnen zuzustimmen. Sie bekam dafür bei dem kohlepolitischen Spitzengespräch in Bonn die Zusicherung, daß der Jahrhundertvertrag bis 1995 ansonsten wie geplant weiterläuft und eine Anschlußregelung angestrebt wird. Wie die aussehen könnte, soll eine Kommission erarbeiten, die unter Vorsitz des CDU-Politikers Paul Mikat bis zum März 1990 einen Bericht vorlegen wird.

Eins ist dabei heute schon klar: Auf die Bergleute kommen weitere Zechenstillegungen zu. Bisher hat es die IGBE immer geschafft, dafür zu sorgen, daß kein Bergmann entlassen wurde. Die meisten schieden über Frühpensionierungen bei Garantie von über 90 Prozent ihres Nettolohnes schon mit 50 Jahren aus dem Erwerbsleben aus. Auf diese im In- und Ausland nirgendwo sonst erreichte Besitzstandsgarantie für alle Bergbaubeschäftigten beruht in hohem Maße die Loyalität der IGBE-Mitglieder gegenüber ihrer Gewerkschaftsführung auch wenn die den Zechenstillegungen zustimmte.

Diese Politik der IGBE, die für Ruhe in den Revieren sorgte, ließ sich die Politik einiges kosten. Die jüngsten Klagen über die Höhe der Subventionen zeigen aber auch, daß diese Krisenbewältigung inzwischen an ihre ökonomischen Grenzen stößt. Weil der IGBE-Führung die Klagen über die Subventionen Anfang des Jahres auf die Nerven gingen, brach sie mit einem bis dahin geltenden Tabu. Sie schwärzte die Atomindustrie an und präsentierte eine Rechnung, die die Vereinigung der deutschen Elektrizitätswerke in helle Aufregung versetzte.

Seit 1956 habe die Kernenergie 61,6 Milliarden Mark vom Bund und den Ländern kassiert. Die Steinkohle aber nur 43,4 Milliarden Mark erhalten, rechnete die IGBE - die bis zum Nürnberger Parteitag der SPD immer für Kernenergie und Kohle geworben hatte - den verdutzten Kraftwerksbetreibern vor. Pro Kilowattstunde werde die Kernenergie mit 7,6 Pfennigen, die Steinkohle aber nur mit 1,9 Pfennigen subventioniert. Seitdem ist der jahrelange Friede im Energiekartell ein wenig gestört. Zur Anti-Atombewegung gehört die IGBE deshalb aber noch lange nicht. Soviel kann aber schon heute gesagt werden: In den nächsten 100 Jahren wird sich das ändern.

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