: Niedersachsens Abtrünnige erklären sich
Kurt Vajen und Oswald Hoch rechtfertigten ihre Partei- und Fraktionsaustritte / Hoch begründet Austritt mit Austrittsgerüchten in der SPD / Vajen legt sein polizeiliches Führungszeugnis vor ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Die knappen Mehrheitsverhältnisse in Niedersachsen rücken weiterhin die treulosen Abgeordneten vom platten Lande ins Rampenlicht. Sowohl der Ex-Sozialdemokrat Oswald Hoch als auch der Beinahe-„Republikaner“ Kurt Vajen haben jetzt ihre Fraktions- und Parteiaustritte öffentlich gerechtfertigt. Der Wahlfälscher Kurt Vajen bekräftigte gestern seinen Willen, bis zum Ende der Legislaturperiode im Landtag zu bleiben, und versicherte wiederum, daß die entscheidenden Verhandlungen über seinen Eintritt bei den rechtsradikalen „Republikanern“ und über einen „möglicherweise sicheren Platz“ auf deren Landesliste noch nicht geführt worden seien. Eine wichtige Eintrittsvoraussetzung für die „Republikaner“ kann Vajen allerdings nach eigenem Bekunden erfüllen: Der Ex-CDU-Abgeordnete betonte gestern, daß trotz seiner Verurteilungen wegen Wahlfälschung, Trunkenheit am Steuer und Widerstands gegen die Staatsgewalt jüngst noch von ihm beschaffte polizeiliche Führungszeugnisse ohne Eintrag seien.
Der jüngste niedersächsische Überläufer, der Unternehmens und Anlageberater Oswald Hoch, hat inzwischen öffentlich seinen Austritt aus der SPD und deren Landtagsfraktion mit den Gerüchten begründet, die dauernd von seinen Exgenossen im heimatlichen Gifhorn über eben diesen Austritt gestreut worden seien. Daß ihm die dortigen Sozialdemokraten Kontakte zu den „Republikanern“ unterstellt hätten, sei letztlich der Anlaß für seinen Austritt gewesen, erklärte Hoch. Demgegenüber verwies Hochs langjähriger Gegenspieler, der Gifhorner Ortsvereinsvorsitzende Karl Schrader, darauf, daß unstreitig schon vor einem Jahr auf einer Gifhorner Kreisvorstandssitzung über einen Parteiwechsel des Abgeordneten Hoch gesprochen worden sei. „Wir Gifhorner Sozialdemokraten haben den Vorstand der SPD-Landtagsfraktion rechtzeitig vor der mangelnden Parteitreue Hochs gewarnt“, aber der habe nicht auf die Genossen vor Ort hören wollen, sagte der Kommunalpolitiker und verwies darauf, daß ein Parteiordnungsverfahren gegen Hoch erst in dritter Instanz „mit einem Freispruch zweiter Klasse“ abgeschlossen worden sei. Schrader berichtete von langjährigen Auseinandersetzungen mit Hoch, stellte den jetzt parteilosen Abgeordneten als einen „Wichtigtuer“ dar, der in finanziellen Schwierigkeiten stecke und dem es ohnehin „nur ums Geld gehe„; er bestätigte damit indirekt Hochs Äußerungen.
Gerüchte über Kontakte Oswald Hochs zu den „REPs“ beruhen offenbar allein auf der Tatsache, daß ein langjähriger ihm politisch und persönlich nahestehender SPD -Kreistagsabgeordneter Anfang des Jahres aus seiner Partei ausgetreten und inzwischen zum Gifhorner REP -Kreisvorsitzenden mutiert ist.
Die Rolle der niedersächsischen CDU bei dem Fraktionsaustritt von Oswald Hoch bleibt einen Tag nach seinem Wiedereinzug weiterhin offen. Der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Wilfried Hasselmann bestreitet inzwischen nicht mehr, daß er Hoch schon 1986 zu einem Posten im Volkswagenwerk verhelfen wollte, als dieser seinen Wiedereinzug in den Landtag verfehlt hatte. Die Absicherung des ausgeschiedenen Abgeordneten scheiterte jedoch unter anderem am Widerstand von dessen SPD-Genossen im VW -Betriebsrat.
Inzwischen scheint festzustehen, daß die CDU-Fraktion im Landtag vorab über den Parteiaustritt Hochs informiert war. Während Hoch am Mittwoch seiner Fraktionsführung noch Loyalität zusicherte, verkündeten CDU-Parlamentarier vor zahlreichen Zeugen bereits seinen bevorstehenden Übertritt.
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