: BASF-Arbeiter im Seveso-Nebel
Kommission der Umweltministerkonferenz bestätigt: Beschäftigte des Chemieriesen seit Jahren mit Furanen vergiftet / Untätigkeit des Bundesumweltministers / Kommission empfiehlt Produktions- und Importstopp ■ Von Hannes Koch
Berlin (taz) - Nachdem die Chemie-Industrie für Ende 1989 einen Verzicht auf hochgiftige Feuerschutzchemikalien angekündigt hat, wird den Arbeitern bei BASF in Ludwigshafen jetzt offiziell bestätigt, daß sie jahrelang mit eben diesen Chemikalien vergiftet wurden. Die Beschäftigten in der Kunststoffherstellung inhalieren gefährliche Mengen der krebserregenden Polybromierten Dibenzofurane - und das in teilweise 4000fach höherer Konzentration, als sie das Bundesgesundheitsamt für unschädlich hält.
Dies geht aus einem der taz vorliegenden Bericht der Arbeitsgruppe „Bromhaltige Flammschutzmittel“ hervor. Die Arbeitsgruppe arbeitet seit April dieses Jahres im Auftrag der Umweltministerkonferenz (UMK). Unter Federführung des Bundesumweltministeriums sitzen dort Vertreter des Umweltbundesamtes, des Bundesgesundheitsamtes, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und der Bundesländer.
BASF und andere Unternehmen stellen unter anderem Kunststoffe für die Elektroindustrie her, die durch Beimengung von Brom gegen Feuer geschützt werden. Während der Produktion bilden sich unter Hitzeeinwirkung die gefährlichen Polybromierten Dibenzofurane (PBDF) und Dibenzodioxine (PBDD) - chemisch eng verwandt mit Seveso -Gift Dioxin.
Nicht auszuschließen seien „Gesundheitsgefahren bei Arbeitnehmern in der kunststoffherstellenden Industrie“, schreibt die Arbeitsgruppe der UMK. Es sei „mit einer zum Teil erheblichen Belastung zu rechnen, die weit über dem tolerierbaren Wert“ von 15 Billionstel Gramm pro Kubikmeter Luft liegen kann. Dieser Wert beruht auf einer Empfehlung des Bundesgesundheitsamtes.
In den Ludwigshafener Produktionsanlagen von BASF wurden demgegenüber atemberaubende Konzentrationen gemessen: die Menge der Furane in der Raumluft entsprach 1.600 Billionstel Gramm des Seveso-Dioxins, direkt neben den Maschinen betrug der Wert sogar über 60.000. Die Arbeiter inhalieren also 100 bzw. 4.000mal soviel Gift, wie das Bundesgesundheitsamt gerade noch für erträglich hält.
Kurz bevor die Chemieindustrie freiwillig auf die Verwendung bromhaltiger Feuerschutzmittel in der Bundesrepublik verzichten will, fordert die Arbeitsgruppe jetzt in einem umfangreichen Maßnahmenkatalog die Aufnahme der bromierten Furane und Dioxine in die Gefahrstoffverordnung. Damit würden bisher nicht existierende gesetzliche Grenzwerte festgelegt. Ebenso wollen die Umweltbürokraten die krebsfördernden Stoffe in die Störfallverordnung aufnehmen und eine Verbotsverordnung nach dem Chemikaliengesetz erlassen.
Ziel der Kommission ist ein Verwendungsstopp für bundesdeutsche und importierte Stoffe, aus denen Furane entstehen können. Darüber hinaus schlägt die Arbeitsgruppe nicht nur Untersuchungen der Arbeiter und Produktionsstätten, sondern auch der Produkte vor, die entsprechende Kunststoffe enthalten. Auch sind sich die Experten nicht im klaren, ob nicht schon längst aus Deponien bromierte Furane in den Boden gesickert oder durch die Schornsteine der Sondermüllverbrennungsanlagen in die Luft gepustet worden sind.
Wenn die Umweltministerkonferenz den Giftbericht im November verhandelt, wird Bundesumweltminister Töpfer daran erinnert werden, daß er bereits seit 1985 von dem Problem wußte. Damals hatten die Länder Töpfer aufgefordert, wirksame Maßnahmen zur Verringerung der krebserregenden Chemikalien zu ergreifen. In Bonn passierte jedoch nichts. Die Industrie war schneller und verzichtete selbständig. Erledigt hat sich das Thema damit aber noch nicht. Ausländische Unternehmen könnten die Seveso-Gifte weiterhin in die BRD importieren - falls Umweltminister Töpfer tatenlos bleibt.
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