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Alle sind satt geworden

■ Zur Neueröffnung der Scala gab es viele Topfblumen und einen Massenansturm

Ich kam mir schon ein wenig verloren vor, inmitten der Honoratioren von Bremen - Nord, die mit mir zusammen am Samstag um 18.00 Uhr in die Scala eingelassen wurden. Fast alle hatten Blumen mitgebracht, einer überreichte den Settjes sogar eins von

diesen kitschigen Schiffssteu errädern und rief dabei sowas wie „allzeit gute Fahrt“ - da schämte ich mich schon ein wenig, daß ich nicht auch ein Stiefmütterchen besorgt hatte.

Es roch nach frischer Farbe, die Handwerker huschten noch herum und die Tonanlage war nicht richtig angeschloßen; da mußten die kurzen Einweihungsreden schon fast von der Bühne herunter geschrieen werden. Vom Widerstand einzelner Bevölkerungskreise und langen Entscheidungsprozessen im Beirat war da zu hören, und daß die Bremer Hausband „Rumble on the Beach“ nur bis zehn Uhr spielen durfte, weist auch darauf hin, daß der Hase hier in dieselbe Richtung läuft, wie beim Modernes und im Viertel.

An das Modernes erinnert auch die Inneneinrichtung. Die gleiche Dramatisierung der Räume durch Treppchen, Geländer und Schrägen, und auch hier drei Bar-Tre

sen, die darauf hinweisen, daß der Umsatz an den Getränken wohl als Haupteinnahmequelle kalkuliert ist. Nur die unverputzten Backsteinwände und die freiliegenden Lüftungsrohre sind ein Stilbruch, an dem man sieht, daß der Entwurf zwar vom gleichen Architekten ist, daß er aber mit weniger Geld auskommen mußte.

Nach dem Buffet mit den Hauptdarstellern Gouda und Mettwurst wurden ab acht Uhr die zahlenden Gäste eingelassen, und das Durchschnittsalter stürzte in wenigen Minuten um mindestens zwanzig Jahre. Im Gedränge erfuhr man am eigenen Leibe, wie groß das kulturelle Vakuum sein mußte, daß die jungen Vegesacker begierig und dankbar in solch einem Sog hierherzog. Es kamen längst nicht alle rein, hunderte standen vor dem Eingang und machten aus der Breiten Straße eine Fussgängerzone.

Was im Eröffnungsprogramm geboten wurde, war da gar nicht

mehr so wichtig. „Rumble on the Beach“ mußten nach etlichen Problemen mit dem Ton ihren sehr lauten Soundcheck vor dem Publikum machen. Und kamen dann in leichten Zeitverzug, sodaß ihre Zugaben nach zehn Uhr schon nicht mehr legal waren.

Im kleinen Kinosaal mit zweihundertzehn Sitzplätzen (die Erstaufführungen werden im Hauptsaal gezeigt), wurde ein Wundertütenprogramm aus Kurzfilmen und Trailern gezeigt. Dabei konnte man die Band nebenan noch sehr deutlich hören, aber das störte an diesem Abend niemand.

Bis vier Uhr morgens wurde getanzt - hier wird offensichtlich das Erfolgsrezept des Modernes wiederholt, bei dem die Tanznächte schon mehr als die halbe Miete bringen. Aber wenn die Nachbarn zurückschlagen, ist die Scala auch in diesem Sinne das „Modernes Nr. 2“. Wilfried Hippe

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