piwik no script img

Unverwüstliche Gräfin

■ Steffi Graf gewinnt die US Open nach zwei aufreibenden Matches gegen Sabatini und Navratilova

Berlin (taz) - „Viele Hündinnen sind der Häsin Tod“, so lautet ein altes Sprichwort. Im Falle Steffi Graf trifft es nicht zu. Nachdem sie im Halbfinale von Flushing Meadow mit knapper Not dem argentinischen Grundlinienspürhund Sabatini entronnen war, gelang es ihr auch im Finale, aus schier aussichtsloser Position dem angriffslustigen amerikanischen Wadenbeißer Navratilova zu enteilen. In beiden Matches schien sie schon auf völlig verlorenem Posten zu stehen, am Schluß ging sie dann doch als strahlende Siegerin der US Open vom Platz. Mit 3:6, 7:5, 6:1 hatte sie die bitter enttäuschte Martina Navratilova besiegt, nach Melbourne und Wimbledon ihr dritter Triumph im vierten Grand Slam-Turnier in diesem Jahr.

Im Halbfinale hatte es Steffi Graf mit einer Gabriela Sabatini zu tun, die kaum wiederzuerkennen war, verglichen etwa mit ihren schlappen Auftritten in Paris oder Wimbledon. Die Argentinierin, sonst eher still und traumverloren, präsentierte sich bissig, lauffreudig und risikobereit. Immer wieder feuerte sie sich selbst mit wilden Schreien an, ihre Topspinbälle kamen hart und präzise und besaßen eine optimale Länge. Steffi Graf war diesem Druck nicht gewachsen, konnte ihre gefürchtete Vorhand kaum einsetzen und produzierte statt dessen viele, viele Fehler. Die gemeinhin als etwas bequem geltende Sabatini fegte indes von einer Ecke zur anderen, ans Netz und wieder zurück, ein Kraftakt, der sich rächen sollte.

Den ersten Satz gewann die 19jährige Weltranglistendritte mit 6:3, im zweiten führte sie 1:0 und hatte in einem Marathon-Aufschlagspiel von Steffi Graf mehrere Chancen zum Break. Als ihr dies trotz aufopfernder Laufarbeit nicht gelang, war sie mental und konditionell gebrochen. Sie sah aus wie aus dem Rio de la Plata gezogen, die Siegesgewißheit schwand aus ihrer Miene, und sie fiel zurück in Lethargie. Den zweiten Satz gab sie mit 4:6 ab und im dritten lag sie schnell 1:5 zurück. Doch auch Steffi Graf hatte bei dieser Hitze eine Menge Kraft gelassen und wurde von demselben Übel heimgesucht, daß bei diesem Turnier bereits Isabel Cueto und Jay Berger ganz, Jimmy Connors fast hatte ausscheiden lassen: Krämpfe, hervorgerufen durch die Hitze und zu geringe Flüssigkeitsaufnahme.

Mit Lockerungsübungen versuchte Graf, das Unheil aufzuhalten und hatte Glück, daß ihre Gegnerin die günstige Gelegenheit nicht beim Schopf ergriff. Sabatini spielte weiter risiko- und fehlerhaft und gestattete der Weltranglistenersten schließlich bei 2:5 zwei Matchbälle. Mit letzter Kraft schleppte sich Steffi Graf beim zweiten ans Netz, schlug einen unerreichbaren Volley und verschwand auf der Stelle zur Behandlung in der Kabine. „Noch ein Punkt mehr, und ich hätte aufgegeben“, sagte die Siegerin später.

Am nächsten Tag zum Finale war sie dann wieder fit, was nicht verhinderte, daß die gut aufschlagende und hochkonzentrierte 32jährige Martina Navratilova das Match sofort in die Hand nahm. Ihre zwölf jahre jüngere Kontrahentin konnte nur reagieren und war den sicheren Volleys der Amerikanerin meist hilflos ausgeliefert. Mit 6:3 ging der erste Satz an Navratilova, und auch im zweiten schaffte sie ein rasches Break. 4:2 führte sie, Steffi Graf kam mit ihrem Aufschlag auf 4:3 heran, und dann war plötzlich alles wie vor zwei Jahren beim Finale von Paris, als eine nervöse Martina Navratilova den fast sicheren Sieg mit zwei Doppelfehlern aus der Hand gab und Steffi Graf ihr erstes Grand Slam-Turnier gewann.

Auch jetzt, als das 5:3 greifbar nahe war, wurde die Altmeisterin auf einmal nervös, die Erfahrung ihrer mehr als 50 Grand-Slam-Finales war plötzlich nichts mehr wert, und zwei Doppelfehler ebneten ihrer Gegnerin den Weg zum Break. Nun schlichen sich Fehler ein in das Spiel der Weltranglistenzweiten, der Satz ging mit 5:7 verloren, und im ganzen dritten Satz war sie mehr damit beschäftigt, ihren verpaßten Möglichkeiten nachzutrauern, als damit, die Bälle zu plazieren. 6:1 gewann die diesmal unverkrampfte Graf den dritten Satz und damit ihr achtes Grand Slam-Turnier.

Dann kam das Wichtigste bei den US Open, die Scheckübergabe, ein hingebungsvoll zelebriertes Ritual, dem nur Martina Navratilova nichts abgewinnen konnte. Immer noch zerknirscht und kopfschüttelnd nahm sie achtlos ihre 150.000 Dollar entgegen, während das strahlende Lächeln, das die Siegerin bei der Entgegennahme ihres 300.000 Dollarschecks überkam, alle widerlegte, die meinen, sie könne sich nicht richtig freuen. „Es sind keine Emotionen da“, bemängelte die unterlegene Navratilova („Ich habe das Spiel hergeschenkt.“) später, was Stefanie Graf allerdings vehement bestritt: „Wer nicht sieht, daß ich mich freue, ist selber schuld.“

Matti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen