: 14 Jahre Leben ohne Arbeit
■ Waller „AGAB“ zieht Bilanz / ArbeitslosenberaterInnen brauchen erst mal selber eine Stelle
Die Aktionsgemeinschaft Arbeitsloser Bürger und Bürgerinnen e.V. (AGAB) fordert die freie Hansestadt Bremen auf, die im öffentlichen Interesse und als Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben seit 1980 geleistete Arbeit des Arbeitslosen-Zentrums durch Personalmittel ab 1990 langfristig abzusichern.
Arbeitslose haben keine Lobby. Ihre Zahl wird entsprechend dem jeweiligen öffentlichen Selbstdarstellungsbedürfnis manipuliert, für ihre Probleme gibt es VerwalterInnen, die „KlientInnen“ rechtsberaten bzw. sie wieder „in Lohn und Arbeit“ führen wollen. Für völlig neue Fragen angesichts zunehmender Massen- und Dauerarbeitslosigkeit gibt es keine Antwortgeber.
Vor 14 Jahren begann die AGAB, Lobbyarbeit für Arbeitslose selbst in die Hand zu nehmen. Vier Jahre später eröffnete sie das erste unabhängige und selbstver
waltete Arbeitslosenzentrum der Bundesrepublik in Walle in der Grenzstraße. Mit der Zeit sammelte sich dort aus Kreisen akade
mischer und verwaltungstech nischer Arbeitslosigkeit (JuristInnen, SozialpädagogInnen, LehrerInnen, Verwaltungfach
leute) geballte Sachkompezenz, es entstand eine ganz spezifische Beratung dort: kostenlos, ohne die Voraussetzung von Mitgliedschaft, ohne karteimäßige Erfassung, bei Kaffee auf Sofa. Umgeben von „Betroffenen“ (die BeraterInnen sind oder waren es meist auch) läßt sich offen über die verworrenen Wege der Antragstellung, juristische Schliche und auch mal Schwarzarbeit reden, denn die AGAB ist explizit parteiisch.
Dauerarbeitslosigkeit als Existenzform und Lebensperspektive: Die AGAB will das Thema offensiv diskutieren und programmatisch arbeiten. Es habe keinen Sinn mehr, Arbeitslosigkeit nur als Defizit zu sehen: Die viele Zeit gilt es zu nutzen; um an sein Geld zu kommen, muß man sich schlau machen. Konzeptionell strebt die AGAB die Grundsicherung für alle („Existenzgeld“) an.
Auf etwa 6.500 Beratungen pro Jahr kommt die AGAB, ihr Ruf reicht weit ins Niedersächsische, sie stößt selbst Freizeitaktivitäten an, hat eine Druckmaschine, ein
Fotolabor, eine Küche. Ihr Beratungskonzept greift weiter als die Arbeit z.B. der Angestellten- oder Arbeiterkammer. „Zum Billigtarif“ leistet sie mit Ehrenamtlichen und ABM -Arbeitslosen eine Arbeit, die „im öffentlichen Interesse liegt“.
Die neuen Vergaberichtlinien für ABM-Stellen - Nürnberg zahlt nicht mehrmals nacheinander für denselben Arbeitsplatz - verhindern personale Kontinuität und langjährige Anhäufung von Sachwissen. Es gehe nicht an, daß „jährlich die gesamte Belegschaft wechselt“. Für das nächste Jahr fordern die MitarbeiterInnen vom Land Bremen zunächst drei feste Stellen, sonst „machen wir dicht“. „Zum Billigtarif für das Land Bremen ist die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nicht länger zu haben“.
Adressat für die aktuellen Forderungen ist der Senat, der sich heute in Klausur zurückzieht, um Vergangenes und Zukünftiges zu bedenken. Und auf Zukunft setzt das Arbeitslosenprojekt, da möchte sie auch mit bedacht sein.
Burkhard Straßmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen