: Lokales Gruppenradio mit redaktionellem Kern
■ Interview mit Jochen Rieß, medienpolitischer Sprecher der Grünen in Bremen über die 5. Hörfunkfrequenz
taz: Am 1.1.1992 soll es in Bremen eine fünfte Hörfunkfrequenz geben. Gibt es dazu schon Überlegungen innerhalb der „Grünen“?
Jochen Rieß: Im Landesmediengesetz gibt es die Möglichkeit, einen örtlichen Veranstalter zuzulassen. Der soll das örtliche und kulturelle Geschehen darstellen und nicht vorwiegend kommerzielle Interessen haben. So ein Programm könnten wir uns gut vorstellen.
Gibt es denn jemand, an den die „Grünen“ konkret denken als potentiellen Veranstalter?
Also einen Veranstalter gibt es sicherlich nicht und es gibt auch noch keine Veranstalter, die Gewehr bei Fuß stehen, aber das be
sondere solch eines Konzeptes wäre ja, daß es verschiedene Träger geben muß, die Programm machen. Die könnten das nur zusammen machen und da haben wir schon Vorstellungen, daß so etwas zustande kommen könnte. Wichtig finde ich aber, daß dieser Prozeß unabhängig verläuft.
Von Seiten des Senats ist ja versucht worden, in dieser Frage einen Vorstoß zu machen. Wedemeyer hat einen Brief an die etablierten Organisationen geschrieben und sie aufgefordert, sich Gedanken zu solch einem Lokalradio zu machen und hat als Gesprächspartner für weitere Schritte Herrn Euler vom Institut Film/Fernsehen genannt. Ich
halte es für nicht gut, wenn alles, was sich im Bereich Medien bewegt, koordiniert wird über das Institut Film/Fernsehen, von Herrn Euler. Zumal dieser Brief zeigt, daß nur ganz spezifische Institutionen angeschrieben worden sind. Hier geht das spezifische Interesse der SPD mit ein.
Ich könnte mir also sehr gut vorstellen, daß es ein Programm gibt, das viel Freiraum läßt für Experimente und getragen wird von solchen Gruppen wie Umweltgruppen, Ausländern, Frauen, Schwule, alles Gruppen, die in den etablierten Medien nur indirekt vorkommen und direkt etwas artikulieren wollen.Für so ein Experiment könnte man,
glaube ich, Träger motivieren.
Wie wäre das zu finanzieren?
Ich denke, es gibt in Bremen ganz gute Möglichkeiten. Es gibt durch den Staatsvertrag das Gebührenaufkommen für die Landesmedienanstalt. Und dassoll auch für die Förderung offener Kanäle verwendet werden. Und sogar begrenzt zur Förderung der technischen Infrastruktur für private Anbieter. Immerhin sind das 1,4 Mill. Mark, die eigentlich in die Medienentwicklung in Bremen gesteckt werden müßten. Das wären Mittel, die, falls man einen offenen Kanal in das Konzept integrieren würde, was ich stark befürworten würde, zur Verfügung stehen. Daneben
müßte sich so ein Radio durch seine Träger, Hörer und Werbung finanzieren.
Welche Rolle spielt der offene Kanal im Konzept der „Grünen“?
Ich fände es unbedingt notwendig, den offenen Kanal zu integrieren. Konzeptionell, weil das eine sehr direkte Form des Mediums ist, ein republikanischer Rundfunk sozusagen, und weil das mit zu einem experimentellen Radio gehören würde. Und wenn man dieses Prinzip: Es produzieren Interessierte eine Sendung und die wird so gesendet, ohne irgendeine Zensur oder redaktionelle Gestaltung, wenn man das thematisch einbinden würde, so daß der Hörer sich darauf einstellen kann, und das in ein professionelles Umfeld eingebettet wird, wo der Hörer jeden Tag weiß, zu der und der Zeit kommt das und das, dann ist das eine Weiterentwicklung des offenen Kanals und das finde ich unbedingt sinnvoll, in so ein Radio einzubinden.
Wie sollte man in so einem Radio das Verhältnis zwischen Träger und Betreiber gestalten?
Wir sagen: wichtig wäre, daß sich Träger zusammenfinden, die so ein Programm finanzieren. Aber die Kernredaktion, die muß ganz unabhängig sein und muß frei agieren können. Da die Träger natürlich berechtigte Eigeninteressen haben, soll es so sein, daß sie ein Kern-Programm mitfinanzieren, das unabhängig ist, sie aber die Gewähr kriegen, daß immer ein ganz bestimmtes Programm für ganz bestimmte Leute
zu einer bestimmten Zeit auf dieser Welle hörbar ist. Sagen wir mal am Tag fünf Stunden redaktionell und dann noch der offene Kanal. So bleibt noch ganz erheblich Restzeit und da könnten die potentiellen Träger ihr Programm machen. Und zwar in eigener Verantwortung, aber sie kriegen dafür ein Programmumfeld, wo es eine Hörergruppe gibt, die sich mit so einem Radio auch identifizieren würde.
Was passiert denn nun in den nächsten Monaten?
Es kommt jetzt darauf an, in der nächsten Zeit einen Prozeß zu organisieren, und möglichst viele, die Interesse hätten, so ein Programm zu machen, die Interesse hätten, als Träger für so einen Lokalfunk zu fungieren, oder die im weiteren Sinne an so einem Radioprogramm interessiert sind, aus inhaltlichen Gründen, aus politischen Gründen, aus kulturellen Interessen, zusammenzuführen. Was diskutiert wird zur Zeit ist, daß Anfang des Jahres ein Workshop stattfinden soll, wo alle potentiellen MacherInnnen, TrägerInnen und Interessenten eingeladen werden und wo ganz gezielt vor dem Hintergrund von dann vielleicht schon ausgearbeiteten Konzepten diskutiert wird, wie man so etwas in Bremen organisieren könnte. Auf dem Weg dorthin soll eine Reihe kleinerer Veranstaltungen stattfinden, z.B mit den MacherInnen von Radio 100 in Berlin, wo dieser Diskussionsprozeß angestoßen werden soll.
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