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Kabelsalat statt Mastenwald für Spandau

■ Bewag und Senat prüfen jetzt „abgespeckte“ Version der geplanten Stromtrasse durch Spandau / Durch das Stadtgebiet nur mit 110.000 statt 380.000 Volt / Dünnere Kabel lassen weniger Strom fließen, sind billiger und umweltfreundlicher

Die Hochspannungsleitung, die den westdeutschen Verbundstrom in die Stadt transportieren soll, wird möglicherweise drastisch abgespeckt. Senat und Bewag prüfen zur Zeit, ob statt einer 380-Kilovolt-Leitung auch eine 110-Kilovolt -Trasse ausreichen würde. Damit würde sich nicht nur die Leistung der Leitung verringern, sondern auch ihr Umfang. Nur noch für die knapp zwei Kilometer lange Strecke zwischen der Übergabestelle an der Niederneuendorfer Allee und dem Kraftwerk Oberhavel wäre ein größerer Trassenneubau nötig. Bislang plante die Bewag eine etwa neun Kilometer lange Freileitung, die von der Grenze bis zum Umspannwerk Reuter quer durch Spandau führen sollte.

Der Vorschlag für eine abgespeckte Trasse stammt, wie berichtet, von dem AL-Abgeordneten Hartwig Berger. „Er gehört sehr ernstgenommen“, bestätigte Bewag-Sprecher Thomas Möller jetzt der taz. Auch Thomas Schwilling, Leitungsreferent von Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah), sieht in der 110-KV-Leitung die „umweltverträglichste Variante“. Nach Schwillings Ansicht hat sie gleich mehrere Vorteile. Die 110-KV-Leitungen seien nicht nur billiger, sondern auch problemlos als unterirdische Kabel zu verlegen. Im Gegensatz zu 380-KV-Leitungen brauchten sie keine Ölkühlung und führten beim Einbau auch nicht zu Grundwasserabsenkungen. Die geringere Leistung dieser Systeme sieht Schwilling sogar als Vorteil an: Sie könnten dadurch als „technische Barriere“ gegen unerwünscht große Stromlieferungen aus Westdeutschland dienen.

Mit einer Leistung von 1.600 Megawatt ist die 380-KV-Trasse ohnehin weit überdimensioniert. Für die zwischen der Bewag und ihrer westdeutschen Geschäftspartnerin Preußen Elektra vereinbarten Lieferungen reiche eine Leistung von 300 MW aus, erklärte gestern Umweltstaatssekretär Groth vor dem parlamentarischen Umweltausschuß. Noch einmal dieselbe Leistung sei nötig, um im Notfall einen Kraftwerksausfall durch Importstrom auszugleichen. Die Entscheidung über die Trassenführung soll „in den nächsten Wochen“ fallen.

Skepsis ließ im Ausschuß der zuständige Mitarbeiter der Senatswirtschaftsverwaltung, Volland, durchblicken. Nach seinen Angaben haben Bewag und Preußen Elektra eine Übertragungsleistung von 1.000 MW vereinbart. Würden dafür 110-KV-Leitungen eingesetzt, seien 16 Kabelsysteme erforderlich. Schwilling glaubt dagegen, mit sechs Systemen auszukommen.

Unterstützung für Bergers Vorschlag kam gestern vom Vorstand der Spandauer SPD. Er forderte den Senat auf, diese Alternative ebenso zu prüfen wie andere Verkabelungstechniken, die ohne Grundwasserabsenkung auskommen. Die Sozialdemokraten erinnerten daran, daß herkömmliche Erdkabel und die vom alten Senat erwogene Freileitung beide „im naturschutzrechtlichen Sinne unzulässig“ seien. Dies hatte, wie berichtet, auch eine Umweltverträglichkeitsstudie im Auftrag der Bewag bestätigt.

hmt

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