Wohnen an der Kaserne

■ Umweltverwaltung kritisiert Bausenator Nagels Vorstoß für mehr Wohnungsbau / „Bausenator jongliert mit Zahlen, statt konkrete Vorschläge zu machen“

Bausenator Nagel (SPD) sollte nicht mit immer neuen Wohnbauzahlen jonglieren, sondern mehr konkrete Vorschläge machen, wie das Bauprogramm gesteigert werden könnte. Mit diesem Tenor begegnet man in der AL-geführten Senatsumweltverwaltung Nagels jüngstem Vorstoß, die Planziffer für die nächsten vier Jahre von 28.000 auf 35.000 Wohnungen aufzustocken. Der Bausenator sollte endlich sagen, welche Instrumente er schaffen könne, um neue Wohnbaupotentiale zu aktivieren, hieß es in der Umweltverwaltung. Staatssekretär Groth erklärte auf Anfrage, er vermisse bei Nagel die Aussagen, wo das nötige Geld und die Managementkapazitäten beschafft werden könnten. Sei das vorhanden, so heißt es in der Umweltbehörde, könnten einige tausend Wohnungen auf ehemaligen Eisenbahnflächen und an den S-Bahn-Linien geschaffen werden. Auch eine britische Kaserne in Spandau steht auf der Liste, die in der Umweltverwaltung erarbeitet wird.

Die letzten Felder am Stadtrand zu bebauen, sei dagegen weder hilfreich noch notwendig, weist die Umweltbehörde Nagels Begehrlichkeiten zurück. Neue Wohnsiedlungen am Stadtrand, so die Kritik, erzeugten unerwünschten neuen Autoverkehr und raubten einer wachsenden Bevölkerung die nötigen Erholungsflächen. Auf den Wohnbauflächen, die im geltenden Flächennutzungsplan ausgewiesen sind, können nach Berechnungen der Umweltverwaltung in den nächsten vier Jahren bis zu 26.000 Wohnungen errichtet werden, deutlich mehr als die 22.500, von denen Nagel am Dienstag gesprochen hatte. Neben dem Moabiter Werder können die Planer der Umweltverwaltung eine ganze Reihe weiterer Flächen nennen, die Platz für einige hundert oder tausend Wohnungen bieten könnten: der Güterbahnhof Halensee, dessen Überbauung Nagels Vorgänger Wittwer (CDU) vorbereitet hatte; die Güterbahnhöfe Steglitz, Moabit, Charlottenburg und Grunewald; die Umgebung des Potsdamer Platzes; Teile des Gleisdreiecks in der Nähe der Bautzener Straße.

Zum Teil sind diese Flächen ungenutzt, zum Teil hat die dem Senat unterstellte Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens (VdeR) sie als Lagerplätze und Gewerbeflächen verpachtet. Die Umweltverwaltung rät Nagel, Vertreter verschiedener Verwaltungen in Projektgruppen zusammenzusetzen. Sie könnten die üblichen Reibungsverluste abbauen und relativ kurzfristig politische Entscheidungen für eine Bebauung dieser Areale vorbereiten.

Aber auch die Alliierten sollten nach Meinung der Umweltbehörde angesprochen werden. An der Wilhelmstraße in Spandau könnten 2.000 Wohnungen entstehen, heißt es, wenn nicht nur neben der britischen Kaserne gebaut würde, sondern auch das Kasernengelände selbst einbezogen werden. Der US-amerikanische Verbindungsoffizier habe seine Kooperationsbereitschaft bereits zugesagt, heißt es in der Umweltverwaltung. Der US-Offizier erwarte lediglich, daß ihm „konkrete Vorschläge“ vorgelegt würden.

16.000 Wohnungen könnten gewonnen werden, so die Rechnung von Groth, würden die Großsiedlungen der Nachkriegszeit mit zusätzlichen Geschossen und Neubauten ergänzt. Dies erfordere allerdings zusätzliche finanzielle Mittel und ein besseres Management; gleiches gilt nach Ansicht der Umweltbehörde für den Wohnungsbau auf zurückgebauten Straßen, für die Erschließung von Baulücken und die Überbauung von U-Bahn-Linien. Angesichts einer wachsenden Bevölkerungszahl auch noch große Freiflächen zu betonieren, findet Groth dagegen „unmöglich“.

Kritik findet auch Nagels Absicht, den sogenannten dritten Förderungsweg beizubehalten, der relativ teure Mieten produziert. Diese Wohnungen würden nur die Wohnflächen für den „Mittelstands“ vermehren; die Problemgruppen des Wohnungsmarktes blieben hier vor der Tür. Klüger sei es, einen neuen Förderungsweg zu schaffen, der das Geld abschreibungswilliger Zahnärzte in den sozialen Wohnungsbau lenken könnte.

hmt