: Keine Arbeit, große Schulden
■ Justizsenatorin Limbach und Bewährungshelfer fordern Hilfestellung für straffällig gewordene Menschen / Der Appell lautet: Arbeit und Wohnungen anbieten
Keine Wohnung, keine Arbeit, große Schulden. Mit diesen Problemen haben aus der Haft entlassene Strafgefangene und Probanden der Bewährungshilfe nicht erst seit gestern zu kämpfen. Aber je enger es in der Mauerstadt wird, so schlechter werden gerade für diese „Randgruppe“ die Aussichten, Wohnung und Arbeit zu finden. Darauf wiesen Justizsenatorin Jutta Limbach und Mitarbeiter der Bewährungshilfe gestern auf einer Pressekonferenz anläßlich des 35jährigen Bestehens der Berliner Bewährungshilfe für Erwachsene hin, und appellierten an die Öffentlichkeit, „ehemaligen Straftätern ohne Vorurteil zu begegnen und ihnen durch Vermietung von Wohnungen und Abschluß von Arbeitsverträgen zu helfen“.
Nach Angaben eines Mitarbeiters der Bewährungshilfe ist die Wohungsknappheit „derart massiv“, daß die staatlichen Bewährungshelfer ihren Probanden „keinerlei konkrete Hilfe“ mehr anbieten könnten. Trotzdem übten sich er und seine Kolleginnen von der Bewährungshilfe in Zweckoptimismus, als ein Journalist daraufhinwies, daß die Wohnungsnot ja wohl noch zunehmen werde: „Bisher ist es auch immer weiter gegangen“, lautete die Antwort, und es müßten eben „Phantasie und Strategien“ für die gesamte Gesellschaft entwickelt werden. Justizsenatorin Limbachs steuerte als einzigen Beitrag zu dieser Frage bei, daß es ja immerhin „Ansätze“ wie die der „Ziegnerstiftung“ gebe, die Haftentlassene aufnimmt. Sie räumte jedoch ein: „Ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Bei der Bewährungshilfe sind 76 Bewährungshelfer beschäftigt, 37 davon sind Frauen. Im August dieses Jahres wurden von ihnen 4.093 Probanden betreut. In der Praxis heißt das, daß ein Bewährungshelfer für rund 65 Probanden verantwortlich ist, was eine Betreuungszeit von 36 Minuten pro Nase pro Woche bedeutet. Die Mitarbeiter der Bewährungshilfe kritisierten gestern, daß die Gerichte oftmals viel zu lange Bewährungszeiten aussprächen: „Zwei bis drei Jahre würden ausreichen.“ Sie unterstützen auch die unlängst erneut von Gefangenen in Tegel geäußerte Kritik, daß die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung von den Berliner Strafvollstreckungskammern so rigide gehandhabt wird. Kritisiert wurde von ihnen ferner, daß die Richter den Angeklagten oftmals „unrealistische Weisungen“ erteilten, indem sie ihnen aufgäben, „unverzüglich Arbeit aufzunehmen“ oder trotz immenser finanzieller Probleme Geldbußen zu zahlen: 1.000 bis 1.500 Mark seien für manchen Probanden „außerordentlich viel“. Hervorgehoben wurde auch, daß Bewährungshilfe sehr viel kostengünstiger sei als ein Haftplatz, für den pro Tag etwa 110 Mark veranschlagt werde. Ein Proband koste dagegen pro Tag nur ein Zehntel dessen, so die Schätzung.
plu
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