piwik no script img

Ein Weiser sozusagen

■ Will Quadflieg, Schauspieler, Redner und Rezitator wird 75

Da steht er: ein Drumm von einem Mann, gewichtig und schwer. Ein Mann hält eine Rede, seine Stimme spricht Bände, macht aus Worten, die aus anderen Mündern reine Formel blieben, leer und erstarrt, macht aus Worten Gefühle, Stimmungen. Ein manischer Rezitator, wach, halbwach, schlafend, immer rezitiert er, fremde Texte, die durch die Benutzung zu seinen eigenen werden, rezitiert, Worte, die erwachen, zu Wahrheiten werden. Er kann es, weiß, wie es geht, sein Klang ist offen, wandlungsfähig, durchdringend, schnarrend, wenn es denn sein muß und immer, immer wieder ist er warm und anschmiegsam, die Stimme eines echten Menschen, der weiß, was er wie warum sagt, der weiß wovon er spricht, weil er genug erlebt hat und weil er sich nicht einfach hat erleben lassen, was den Unterschied zwischen Tumbheit und Erfahrung ausmacht. Ein Weiser sozusagen, ein Weiser ohne die penetrante Passivität des Dulders.

Ein Mann, eine Bühne. Über lange Jahre war Will Quadflieg einer der gefragtesten Schauspieler des Landes. Im Gründgensschen „Faust„-Film spielte er die Titelrolle, während sich Gründ

gens die dankbare Mephisto

Rolle reservierte. Ein Mann der im Stande ist, seine Passivität während des Faschismus zu be

dauern, der persönliche Brüche kennt und sie nicht leugnen muß. Durch Horvaths „Geschichten aus dem Wienerwald“ wurde er

zur Inkarnation des Wienerischen, was dem Geburts -Oberhausener so fremd ist, wie dem Schauspieler nah. Eine Rolle mit Vitalität anfüllen, sie so zum Leben erwecken, so daß die Distanz verschwindet, das ist seine Schauspielkunst. Ein manischer Rezitator.

Will Quadflieg lebt heute in einem Dorf bei Garlstedt, dort wo die Militarisierung der Heide sich in Panzertrassen ausdrückt, in den dauernden Transporten dieser Dinger und wo eine rege Initiative dagegen anrennt, weil langsam genug sein sollte mit der Panzerbewegerei. Auf diesen Aktionen agiert er dann als Redner, wie gehabt, überzeugend, spannend, motivierend und ist noch weit davon entfernt, sich aufs Altenteil zurückzuziehen.

Ich gratuliere. ste

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen