Filmworkshop als Klassenausflug

■ Bei den ersten Workshops der Filmtage blieben die Macher unter sich

Die Filmtage fingen mit einer Panne an, aber das hat kaum einer gemerkt. Nicht einmal zehn Leute standen um 14 Uhr pünktlich für den Workshop vor dem Modernen und konnten dort nur lesen, daß sie sich erst einmal in die Turnhalle des Alten Gymnasiums bequemen mußten. Denn dort hatte das „Laboratorium“ aus Braunschweig sich niedergelassen - eine Künstlergruppe, die ihre Installationen, Bilder, Videos und Filme auf einer Ausstellung bis Sonntag präsentiert. Aber Ausstellung ist ein zu schwacher Begriff für diese Mischung aus Galerie, Wohnraum und Sportgeräten, in der die Gruppenmitglieder mehr wie auf einem Klassenausflug wirken, als in den heiligen Sphären der Kunst.

Ein Scheinwerfer ist am Basketballwurfring befestigt, die Sprungkästen stehen neben den Bildern und Skulpturen, und auf den Turnmatten liegen die Künstler, trinken Bier und machen Klönschnack. Das sich kaum einer hierher verirrt, stört keinen weiter, Filme werden vielleicht nachts um zehn gezeigt, wenn es dunkel ist, und es bis dahin gelingt, eine Leinwand aufzuhängen.

Stattdessen kann man in ungezwungenen Gesprächen ganz interessante Dinge über die merkwürdigen Kunstobjekte und ihre Macher erfahren: Die Installation mit den zwei Projektoren auf Sprungfedern, die sich gegenseitig bekämpfen ist leider kaputtgegangen, aber sie sieht so schön rätselhaft aus mitten im Raum.

Und, daß man für fünfhundert Mark einen zehnminütigen Kurzfilm produzieren kann, wenn man Filmmaterial aus der DDR benutzt und selber entwickelt, ist eine Information, die einige No Budget Filmer aus ihren Depressionen reisen könnte.

Um 16 Uhr ging es dann aber richtig los im Modernes, nicht daß etwa mehr Publikum gekommen wäre, aber für uns zehn Leutchen zeigte die Gruppe „Alte Kinder“ aus Bielefeld ihr Programm

mit sieben Kurzfilmen. Diese waren mit einer Ausnahme sehr formalistisch und verschlüsselt, zum Glück wurden sie in den Pausen, wenn die Rollen gewechselt wurden, erklärt. Diese Geschichten über die Filme waren meist spannender als die Werke selber. Von dem gigantischen Projekt eines Filmkalenders wurde da berichtet, bei dem ein Künstler seine Kollegen in aller Welt aufforderte, zusammen für alle Tage des Jahres je einen Film zu drehen. Oder von der schon halb zersetzten Kopie eines alten indischen Films, den die Gruppe verfremdete, indem sie ihn in unterschiedliche Fragmente aufgeteilt, diese von drei Projektoren gleichzeitig auf die Leinwand geworfen wurden, und als es später zu umständlich war, auf Tourneen die drei Projektoren mitzuschleppen, wurde noch ein Film von diesen drei Filmen auf der Leinwand gedreht. Das sah leider nicht so spannend aus, wie es sich an

hörte, und ein Kurzfilm war dann mit dreissig Minuten nicht kurz genug - da bin ich schänd

licherweise eingeschlafen.

Um zehn Uhr abends bin ich dann nochmal in die alte Schule, und da saßen die Braunschweiger urgemütlich auf den Schulbänken mit den Leuten aus den anderen Workshopgruppen zusammen, und wenn sich tatsächlich mal ein Zuschauer dort hin verirrte,

wurde schnell das Licht gelöscht und ein Kurzfilm vorgeführt. Meiner hieß „Perru“ und vermittelte bedrohliche Stimmungen so intensiv und originell, daß ich gerne noch mehr gesehen hätte. Aber es gab halt nur einen Film pro Gast, und so trollte ich mich dann. Trotzdem hoffe ich, daß ihr gut schlaft auf den Turnmatten. Viel Spass auf der Klassenfahrt!

Wilfried Hippen