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Pokern mit dem Bundesverfassungsgericht

■ Wer die Entscheidung übers Ausländerwahlrecht mit Blick auf eine Verfassungsgerichtsentscheidung verschiebt, spielt mit falschen Karten / Karlsruher Richter werden vorerst nicht über Verfassungsmäßigkeit des Ausländerwahlrechts urteilen

Immer wenn die Sozialdemokraten bei ihrem Plädoyer für die Verschiebung des Ausländerwahlrechts in einen argumentativen Engpaß geraten, holen sie mit einem Joker zum Befreiungsschlag aus. Der Joker trägt die roten Roben der Bverfassungsrichter aus Karlsruhe, die noch in diesem Herbst über das kommunale Ausländerwahlrecht zu Gericht sitzen werden. Diese Entscheidung, so das scheinbar so einsichtige Argument, wolle man zunächst einmal abwarten.

Abgesehen davon, daß es noch heute keinen legalen Schwangerschaftsabbruch gäbe, wenn die Sozialdemokraten immer erst auf den Richterspruch aus Karlsruhe gewartet hätten, ist dieser Joker eine gezinkte Karte. Denn die höchsten Richter der Nation werden am 11. Oktober keineswegs über die Frage entscheiden, ob ein kommunales Ausländerwahlrecht mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht. Die Richter werden allein über eine einstweilige Anordnung urteilen, die die CDU/CSU-Fraktion in Bonn auf dem Wege einer Normenkontrollklage gegen das Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein angestrengt hat. Bei der vielbeschworenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird es dabei nur um eine Art Schadensabwägung gehen. Die Richter müssen abwägen, ob es rechtlich zumutbar ist, das schleswig-holsteinische Ausländerwahlrecht bis zu einer endgültigen Entscheidung über dessen verfassungsmäßigkeit im Hauptsacheverfahren zu suspendieren. Die Richter haben dabei allein darüber zu befinden, ob angesichts einer nach wie vor ungeklärten Verfassungslage der Schaden größer wäre, wenn Ausländer bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 1990 schon mitwählen dürfen oder wenn sie es nicht dürfen. Mit dem Hauptsacheverfahren, bei dem die Karlsruher Juristen dann tatsächlich über die Verfassungsmäßigkeit des kommunalen Ausländerwahlrechts in Schleswig-Holstein und Hamburg entscheiden, wird nicht vor Mitte nächsten Jahres gerechnet.

Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung im Oktober brauchen die Verfassungsrichter kein einziges Wort darüber verlieren, wie sie das Ausländerwahlrecht aus verfassungsrechtlicher Sicht beurteilen. Sie hätten allerdings die Möglichkeit, zwischen den Zeilen erkennen zu lassen, ob sie das vorliegende schleswig-holsteinische Gesetz zum Ausländerwahlrecht für verfassungsmäßig halten oder ob sie es im nächsten Jahr im eigentlichen Hauptsacheverfahren „kippen“ wollen.

Eine Aussage über die generelle Verfassungsmäßig oder -widrigkeit eines Ausländerwahlrechts in der BRD wäre jedoch auch das nicht, denn das schleswig-holsteinische Ausländerwahlrecht ist das denkbar untauglichste Exempel zur Klärung der Verfassungsfrage: Die superprogressive schleswig -holsteinische Landesregierung hat nämlich im letzten Jahr ein Wahlrecht verabschiedet, das nur für die „Edelausländer“ gilt: für Iren und Norweger, Dänen und Schweden, Niederländer und Schweizer. Türken, Griechen oder Jugoslawen, die Hauptausländergruppen, bleiben weiter ausgespart. Um exakt 6.723 Wahlberechtigte dreht sich deshalb dieser Rechtsstreit, der nun zum Prüfstein für das Ausländerwahlrecht insgesamt erklärt wird, es tatsächlich jedoch gar nicht ist. Daß jetzt ausgerechnet das schleswig -holsteinische Wahlrecht zur Prüfung beim Bundesverfassungsgericht ansteht, könnte fatale Konsequenzen haben. Die neunmalklugen schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten werden möglicherweise nämlich in Karlsruhe eine empfindliche Schlappe erleiden. Die höchsten Richter der Nation könnten nämlich Björn Engholms famoses Ausländerwahlrecht für verfassungswidrig erklären allerdings aus ganz anderen Gründen als die CDU/CSU bemängelt. Die Karlsruher Richter könnten Anstoß daran nehmen, daß in Schleswig-Holstein zwar Iren wählen dürfen, Türken aber nicht. Das nämlich, so meinen Juristen, sei ein Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz. Und auch die Entscheidung über das Hamburger Ausländerwahlrecht, die vor dem Verfassungsgericht im Sommer 1990 - mitten im Bundestagswahlkampf - ansteht, wäre auf Berlin nicht so einfach übertragbar, denn Hamburg hat eine ganz andere Kommunal- und Bezirksstruktur als Berlin.

Vera Gaserow

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