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Freibrief für P-Staatsanwälte und Polizei

■ Reaktionen auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen zwei Staatsanwälte der P-Abteilung und einen Einsatzleiter der Polizei, die die Gitschiner Straße 87/87a im vergangenen September widerrechtlich geräumt hatten / Strafverfolgungsbehörde mißt mit zweierlei Maß

„Die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft macht aus jeder Mücke einen Elefanten, während die, die sich mit Wirtschaftskriminalität beschäftigen, so wenig Leute haben, daß sie in Akten ertrinken“, meinte Andreas Güntzler, Rechtsanwalt der im September 1988 widerrechtlich geräumten MieterInnen der Gitschiner Straße 87/87a. Deren Strafanzeige gegen die beteiligten Polizisten und Staatsanwälte ist nun in zweiter Instanz eingestellt worden (wir berichteten): Generalstaatsanwalt Schultz hatte den angeschuldigten P -Staatsanwälten einen „Tatbestandsirrtum“ und dem Polizisten einen „Verbotsirrtum“ zugute gehalten.

Zu Unrecht, meinen die Rechtsanwälte der geräumten MieterInnen. „Wir waren während der Räumung da und haben alles getan, um zu verhindern, daß die nachher hätten sagen können: Wir haben von nichts gewußt“, meinte Güntzler weiter. Die Eigentümerin der Gitschiner Straße, die Abschreibungsfirma Data Domizil, hatte im August 1988 Strafanzeige gegen sechs Mietparteien gestellt, um sie aus dem Haus zu klagen. Die sechs Mieter hatten nur mündliche, gleichwohl gültige Verträge. Am 2. September erwirkte die Data einen Durchsuchungsbeschluß, der aber erst am 18. Oktober vollstreckt wurde. Während dieser Zeit hatte der zuständige Staatsanwalt Schweitzer genung Zeit, die Akten zu lesen: Ihnen lag eine Mieterliste bei, auf der auch die fraglichen „Hausbesetzer“ standen. Vor dem Einsatz gegen die Gitschiner Straße hatte sich der leitende Polizeibeamte Mahr beim Landespolizeidirektor Kittlaus (SPD) rückversichert, ob eine eventuelle Räumung rechtmäßig sei. Kittlaus habe Mahr angewiesen, daß der räumen solle, „es sei denn, es seien Kinder in den Wohnungen“. Während der Räumung habe man, so Güntzel weiter, sowohl Mahr wie auch den Vertreter des Staatsanwaltes Schweitzer, Verheyen, und dessen Vorgesetzte, die Oberstaatsanwältin Diederich informiert, daß die Räumung rechtswidrig sei und bereits ein Antrag auf Einstweilige Verfügung dagegen vorliege. „Ein ausgebildeter Volljurist wie ein Staatsanwalt hätte wissen müssen, daß die Räumung rechtswidrig war“, meinte Güntzel. Nach der Räumung hatten sich Polizei, Staatsanwaltschaft und Data Domizil gegenseitig die Schuld zugeschoben.

Die MieterInnen hatten gegen die Data ebenfalls Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt sowie Schadensersatz und Schmerzensgeld gefordert. Darüber ist noch nicht entschieden. Juristisch sei man nun am Ende der Möglichkeiten, ein eventueller Antrag auf Klageerzwingung habe in Berlin noch nie Erfolg gehabt.

Die P-Abteilung der Staatsanwaltschaft sollte eigentlich nach den Koalitionsvereinbarungen aufgelöst werden. Damit hat Justizsenatorin Limbach (SPD) aber bisher keine Eile gezeigt. „Als nächster Termin wurde uns der 1.1.1990 genannt, sicher ist das aber noch nicht“, meint die AL -Abgeordnete Lena Schraut. Unangenehm aufgefallen ist die P -Abteilung nicht zum ersten Mal. Der gleiche Staatsanwalt Schweitzer hatte letztes Jahr die Identität des Verfassungsschutzspitzels Stefan Telschow vor Gericht geheimgehalten.

Die SPD hatte nach der Räumung der Gitschiner Straße einen Untersuchungsausschuß gefordert, davon war nach der Senatswahl nicht mehr die Rede. Innensenator Pätzold ließ nun erklären, er werde die Rolle der beteiligten Polizeibeamten noch einmal untersuchen lassen. Justizstaatssekretär Schomburg (SPD) verweigerte auf Nachfrage jegliche Stellungnahme zu der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die P-Staatsanwälte. Die Begründung: Es handele sich um ein schwebendes Verfahren, weil die Rechtsmittel gegen den Beschluß noch nicht ausgeschöpft seien.

Nach der Räumung der Gitschiner Straße hatte die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft gegen die Data Domizil mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit, Betrug und Steuervergehen. Da gebe es noch keine Ergebnisse, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Achhammer.

Eva Schweitzer

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