: Seit Schuldenkrisen-Beginn Weltbankgewinn verdoppelt
Vor der Jahrestagung / Jahresbericht 1989: Reinerlös über eine Milliarde Dollar ■ Von Klaus Enderle
Aus ihrer Sicht haben die Manager der Weltbank guten Grund, mit sich und der Welt zufrieden zu sein: Das Geschäftsjahr 1989 war das erfolgreichste in der Geschichte des Finanzriesen. In den Industrieländern wuchs die Wirtschaft wie schon lange nicht mehr und der Welthandel blühte. In den Entwicklungsländern hingegen stieg in erster Linie die Schuldenbelastung und die Inflation. Wie die internationalen Geschäftsbanken, so sahnte auch die Weltbank im vergangenen Jahr nicht schlecht ab: Ihr Reingewinn im Deal mit der Dritten Welt betrug exakt 1,094 Milliarden US-Dollar und übertraf damit sogar den Vorjahreserlös. Gegenüber 1982, dem Ausbruch der Schuldenkrise, konnte sie damit ihre Gewinne verdoppeln. Daß die Bank den „Bedürfnissen der Entwicklungsländer mit Flexibilität und Einfallsreichtum“ entgegengekommen war, ist in dem gestern veröffentlichten Jahresbericht nur mit Mühe zu erkennen. Vielmehr liest sich der gut 250 Seiten starke Wälzer wie jede andere Unternehmensbilanz auch. Anfang kommender Woche kommen die Anteilseigner der Bank, alle Mitgliedsländer, zur Jahrestagung von Internationalen Währungsfonds und Weltbank in Washington zusammen.
Müssen Schulden gemacht werden, so sind die eigentlichen Gewinner stets die Banken, und das ist auch im internationalen Geschäft nicht anders. So wird im Jahresbericht beispielsweise bei den neuen Kreditzusagen die Rekordsumme von rund 16 Mrd. Dollar herausgestrichen, tatsächlich ausgezahlt wurden aber lediglich 11,3 Mrd. und damit weniger als im letzten Jahr. Zieht man davon die Rückzahlungen aus den Entwicklungsländern ab, bleiben unterm Strich gerade noch 1,9 Mrd. Dollar. Damit haben sich die „Nettoauszahlungen“ gegenüber dem Vorjahr fast halbiert eine Tatsache, die geflissentlich übergangen wird.
Die Finanzströme zwischen den armen und den reichen Ländern dieser Welt sind ohnehin ein düsteres Kapitel. Alles in allem erhielten die Entwicklungsländer 1989 zusammen 92 Mrd. Dollar. Alte Kredite hingegen mußten in Höhe von 75 Mrd. zurückgezahlt werden. Nimmt man noch die von den Schuldnern bezahlten Zinsen in Höhe von 67 Mrd. hinzu, schreibt die Weltbank unter dem Strich rote Zahlen: Der „Nettotransfer“ war einmal mehr negativ, was heißt, die Entwicklungsländer finanzierten die Industrienationen im vergangenen Jahr mit guten 50 Mrd. Dollar. Im Vorjahr waren es „nur“ 38 Mrd. gewesen. Dabei ist die Gesamtverschuldung der Entwicklungsländer nach den Berechnungen der Bank mit insgesamt 993 Mrd. Dollar sogar erstmalig seit Ausbruch der Verschuldungskrise leicht zurückgegangen. Als Gründe hierfür werden einzelne Schuldenreduzierungen sowie eine günstige Entwicklung der Wechselkursbewegungen, hauptsächlich beim US -Dollar, angesehen. Den Schuldnern nutzte allerdings auch dies nicht viel. Die internationalen Zinssätze waren zwischenzeitlich wieder angestiegen, und so müssen die Länder wieder einmal tiefer in die leeren Taschen greifen.
In puncto Schuldenstrategie gibt es nicht viel Neues. Wie zu erwarten war, übernahm die Weltbank stillschweigend die von den USA favorisierte Reduzierung der Schulden und des Schuldendienstes einiger Schlüsselländer nach dem Brady -Plan. Dennoch hält sie an ihren Prinzipien fest. Gelder für Schuldenrückkäufe zu „Discountpreisen“ oder neue Kredite wird es auch künftig nur „von Fall zu Fall“, also nach dem Gutdünken der Bank geben und das auch nur, wenn sich die betreffenden Schuldnerländer den Anpassungsprogrammen der Bank unterwerfen.
Werden solche Programme von der Weltbank unterstützt, so handelt es sich dabei ohnehin nur um Kredite zu üblichen Bedingungen mit rund achtprozentigen Zinsen und den entsprechenden Gebühren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen