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Prag leistet der DDR jetzt Schützenhilfe

■ Ungarn-Reisende an CSSR-Grenze behindert / Aus Furcht schwimmen Dutzende von Flüchtlingen durch die Donau / Die BRD-Botschaft in Prag ist erneut überfüllt

Berlin (ap/dpa/taz) - Sofern die Nachrichten aus dem Budapester Ausreiselager stimmen, hat die DDR-Führung einen Weg gefunden, wie sie ihre Grenzen unspektakulär schließen kann: DDR-BürgerInnen mit Reiseziel Ungarn sollen in verstärktem Maße schikaniert und zurückgehalten werden. Dies berichtete gestern der Leiter des Malteser-Hilfsdienstes im ungarischen Camp Zugliget, Wolfgang Wagner. Dabei soll die CSSR, die am Montag per Zeitung dem sozialistischen Bruder erneut die Treue schwor, in Form verschärfter Grenzkontrollen praktische Unterstützung leisten.

So haben DDRler Wagner berichtet, erteilte Visa für Ungarn seien zurückgefordert worden. In der CSSR seien Reisende aus den Zügen geholt und zurückgeschickt worden. CSSR -Grenzbeamte hätten von DDR-Bürgern verlangt, sich bis auf die Socken auszuziehen. Aus Angst vor derartigen Reisebehinderungen und aus Panik, so Wagner, schwimmen pro Nacht zehn bis zwanzig DDR-Bürger an „bestimmten Stellen“ durch die Donau und riskieren „Kopf und Kragen“. Bei einem derartigen Fluchtversuch ist in der Nacht zum Montag ein Mann ertrunken.

Unterdessen registrierte das österreichische Innenministerium genau eine Woche nach Öffnung der ungarischen Grenze die Ausreiserin Nr. 16.309. Wieviele sich noch per Flugzeug, Auto, Bahn oder Luftmatratze auf den Weg machen werden, ist weiterhin ungewiß. In Ost-Berlin herrscht bei den für die Reiseerlaubnis nach Ungarn zuständigen Polizeidienststellen angeblich großer Andrang.

Als Transitziel erfreut sich die Bonner Botschaft in Prag wieder wachsender Beliebtheit. Nachdem dort die Zahl der ständigen Gäste vergangene Woche auf 190 geschrumpft war, überwanden am Wochenende DDR-Müde „in Scharen“ den Gartenzaun des Botschaftsgeländes. Etwa 400 Menschen halten sich derzeit in der Vertretung auf, bestätigten Gäste über den Zaun hinweg. „Entsetzlich eng“ soll es in der Warschauer Botschaft für die 100 DDR-Bürger sein.

Auf die erneut anwachsende Reisewelle antworten bundesdeutsche Politiker mit verschärften Reiseplänen in Richtung Ost. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Freimut Duve und Gerd Weißkirchen hatten allerdings kein Glück: Sie wurden am Berliner Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße zurückgewiesen. Die Staatskanzlei des bayerischen Ministerpräsidenten bekräftigte dagegen, Max Streibl (CSU) wolle noch in diesem Jahr in die DDR fliegen. Das „ob und wie“ hänge aber auch von der weiteren Entwicklung in der DDR ab, hüstelte ein Sprecher. Offenbar überwältigt von den schüchternen Befreiungsversuchen der Ost-CDU'empfahlen die Westberliner CDU-Parlamentarier Adler und Lehmann-Brauns ihrem Bundesvorstand, Orts- und Kreisverbände sollten Kontakte mit der CDU in der DDR aufnehmen. Da mochte das FDP -Präsidium nicht zurückstehen: Die Kontakte mit der Liberal -Demokratischen Partei der DDR (es soll sie tatsächlich noch geben), mit den dortigen Kirchen und mit oppositionellen Gruppen, aber auch mit reformwilligen Kräften in der SED sollten „entschieden und konsequent“ weitergeführt werden. Die für Oktober beabsichtigte Reise einer FDP -Fraktionsdelegation nach Dresden indes wollen die Liberalen abhängig machen von der weiteren Entwicklung des innerdeutschen Verhältnisses und speziell der 40-Jahres -Feier der DDR am 7. Oktober verlautete aus dem Fortsetzung auf Seite 2

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Präsidium. Über die konkreten Repressionen in der DDR schwieg die Politikerriege unisono. Keine Silbe zu den Leipziger Inhaftierten kam den rot-grün-schwarz-gelben Hasenfüßen über die Lippen.

Im Zusammenhang mit den Massenfestnahmen in Leipzig während der vergangenen Woche sagte der Dresdner Bischof Johannes Hempel vor der DDR-Bundessynode in Eisenach, es sei nur „schwer mit anzusehen“ gewesen, wie rigoros die Sicherheitskräfte gegen Andachtsbesucher vorgegangen seien.

Nach Informationen der taz hat Hempel bereits zweimal in Leipzig mit den Behörden über eine Freilassung der Inhaftierten verhandelt - bisher vergeblich. Über das gestrige Friedensgebet in der Nikolai-Kir

che lagen bis Redaktionsschluß keine Informationen vor.

In der Debatte der 60 Kirchenparlamentarier forderte Bischof Christoph Schwier die Synode auf, beide deutschen Regierungen dringend zu bitten, in der Frage der Ausreisewelle „das Gespräch miteinander“ aufzunehmen. Der Erfurter Propst Falcke sagte, in der Bundesrepublik müsse man der Tendenz widerstehen, die „sogenannte Fluchtwelle zu einer Rechtfertigung des Kapitalismus zu machen“.

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