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Rumänien - nähergerückt

■ Fotoausstellung des grünen Bildungswerks / Menschenbilder und Bau-Fotos

Eine Propaganda-Ausstellung zu Rumänien war nach einem mutigen Bürgermeister-Wort abgesetzt worden - seit Freitag hängt eine alternative Rumänien-Ausstellung in der Bremer Bürgerschaft: Eine Ausstellung, die sich lohnt.

Eine Fotoausstellung, die für all diejenigen gemacht ist, die von Rumänien gerade mal wissen, daß dort ein Diktator namens Ceaucescu ein unterdrückerisches Regime führt. Und daß Graf Drakula in den rumänischen Karpaten zu Hause war.

Zwei Stirnwände des großen Lobby-Saals der Bürgerschaft sind mit den Fotos von Wolfgang Weiss bestückt. Die „Menschen-Bilder“ hängen links, die „Bauwesen-Fotos“ rechts. Gebäude in Rumänien - das sind uralte Dörfer und gewachsene Nachbarschaften, Hof an Hof, Tor an Tor, Garten an Garten. Mittelalterliche, ärmlich-melancholische Ansichten mit Familie und Pferdewagen und weniger idyllische

Ansichten mit offener Kanalisation.

In diese ärmlich-intakte Heimat rollen mit zerstörerischer Gewalt die Abrißbagger. Die Folge sind seelenlose Neubauviertel, Reste von Grundmauern, Kräne und immer wieder die grauen Neubauviertel. Die ausgestellten Fotos dokumentieren den Gegensatz - und das, was an „Heimat“ noch da ist.

Wer sich - mitempfindend, neugierig geworden - für diese bedrohte rumänische Heimat weiter interessiert, kann zu einem kleinen Heftchen greifen, darin schmökern und erfahren, warum Abrißbagger in Rumänien eine solche Bedeutung haben: Diktator Ceaucescu will 8.000 von insgesamt 13.000 Dörfern niederwalzen lassen und die Bevölkerung in agroindustrielle Zentren zwangsumsiedeln. Gewachsene Gefüge sollen restlos zerstört werden, den Menschen die Möglichkeit zur Selbstversorgung genommen werden.

Nur zwei Fotos widmen sich der Politik im engsten Sinne: Eines dokumentiert eine der gefürchteten Polizeikontrollen, eines zeigt eine Schaufensterauslage, die sich auf Ceaucescus indoktrinierende Werke beschränkt.

Sonst hat Wolfgang Weiss die politische Atmosphäre behutsam und indirekt eingefangen: Wie mit dem Foto von dem Mann in der kümmerlich-tristen Dorfkneipe. Im Blick dieses Mannes liegt soviel Traurigkeit, Wehrlosigkeit und gleichzeitig die Verwunderung darüber, was ihm geschieht - schon allein dieses Foto lohnt die Ausstellung.

B.D.

Die Ausstellung und das Begleitheft beruhen auf einer Rumänienreise von Helga Trüpel, Hanne Schang, Peter Rüdel und Wolfgang Weiss (alle vom Bildungswerk für Umwelt und Kultur).

Zu sehen im Haus der Bürgerschaft, Marktplatz, 15.9. 12.10., montags bis freitags

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