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AUSWEISUNG

„Eine ganze Reihe resozialisierungsbedürftiger Familien vermochte sich nur schwer oder gar nicht an normale bürgerliche Lebens- und Verhaltensweisen anzupassen und machte ihren Mitbewohner das Leben schwer. Da wurden regelmäßig Fahrstühle, Flure und Treppen besudelt, Lärmorgien gefeiert, Unrat aus den Fenstern geworfen, Wandfliesen herausgebrochen, Türklinken abgerissen, Glastüren zerschlagen, Klingel- und Fahrstuhlknöpfe angekokelt, Glühbirnen herausgeschraubt und Lichtschalter demontiert. Verwahrloste und slumartige Zustände herrschten in einzelnen Häusern und Wohnblocks und riefen zu Recht Unmut, Erbitterung und Protest bei den die überwiegende Mehrheit ausmachenden soliden Mieter hervor. Im Interesse dieser und des ganzen Viertels suchte sich die GeSoBau von solchen Problemfamilien zu trennen, die partout zu keinem halbwegs gebührenden Verhalten finden wollten. Während man etwa bei längeren Mietrückständen normalerweise in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt alle einen Verbleib ermöglichenden Mittel ausschöpfte, wurden hier konsequent bestehende Rechtspositionen mit dem Ziel einer Räumung ausgenutzt. Die Zahl der Exmittierungen hielt sich jedoch insgesamt in relativ engen Grenzen: Vier waren es 1967, siebzehn 1968, einunddreissig 1969 sowie einundzwanzig 1970, wobei die Anzahl der Wohnungen im gleichen Zeitraum von 2.812 auf 11.128 stieg. Damit dürfte der von bestimmter Seite aus politischen Motiven in übertriebener Weise hochgespielte Umfang der Räumungen im Märkischen Viertel sich im Verhältnis nicht einmal von dem mancher anderen Berliner Stadtteile unterschieden haben.“

Aus: Alexander Wilde, „Das Märkische Viertel“

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