: Drei Männer und ein Drehbuch
■ V O R L A U F
(Noch ein Wunsch - nach einer Liebesgeschichte von Adolf Muschg, ARD, 20.15 Uhr) Adolf Muschg fand seine Erzählung Noch ein Wunsch, die Geschichte einer Selbstfindung, drehbuchreif, laborierte an einer Fernsehfassung der Novelle und gab die Aufgabe dann entnervt an Dieter Feldhausen ab. In dessen Regie entstand dann ein Drehbuch, in dem Muschgs Montagetechnik aus Rückblenden und Zeitsprüngen auf eine völlig lineare Handlung zurechtgestutzt wurde. Obwohl er die Vorlage für „denkbar unfilmisch hielt“, interessierte sich der Schweizer Regisseur Thomas Koerfer für die „unheimlich genaue Gefühlsaufnahme der Lebenssituation“ eines Mannes Mitte vierzig und bosselte ebenfalls am Drehbuch, bis letztlich die Endfassung fertig war.
Männer in einem gewissen Alter scheinen unweigerlich an jenen Punkt zu gelangen, der seit Jahren als Sinnkrise zu hypochondrischen Ehren kommt. Der gefragte Rechtsanwalt Martin Wettstein stellt plötzlich fest, daß sein Leben mit Frau und Sohn viel zu fad ist. Überstürzt verläßt Martin seine Geburtstsparty und haut ab nach Paris. Dort lernt er ein junges Mädchen kennen und verliebt sich so heftig, daß er mit den typischen Symptomen der Mitte-Vierziger-Krise vom Hausarzt zur Verabredung, vom Rendezvous zum Hausarzt taumelt. Eine gemeinsame Liebesnacht verspricht den Anfnag einer lebhaften Beziehung, doch das junge Mädchen hat sich ihr Leben selbst eingerichtet, und da muß Martin neben anderen, jüngeren Männern bestehen. Lange, viel zu lange für den Zuschauer braucht Martin, um zu erkennen, daß Anne in ihm nur den Vaterersatz sucht, den väterlichen Typ, der hilfreiche Tips fürs Leben gibt.
Der dreifache Anlauf zum Drehbuch und der Wechsel des Regisseurs - ursprünglich sollte der kürzlich verstorbene Peter Beauvais den Film realisieren - ist nicht ohne Spuren geblieben. Nun hat die Figur Martin zwar die dunklen und grüblerischen Züge, wie sie sich Adolf Muschg vorgestellt hat; sie sind aber vermischt mit den Charaktereigenschaften, die von den weiteren Drehbuchautoren hinzugedichtet wurden. Den selbstmitleidigen Impuls spitzt Thomas Koerfer noch zu, wahrscheinlich um aus dem unentschiedenen Anwalt einen geradlinigen Kinohelden zu formen. Das führt so hart an die Grenze zum Schwermut, daß man fürchten muß, dieser Mann könne sich jeden Moment Gewalt antun. Dann ist da noch der Hauptdarsteller, der dem Bestreben seines Regisseurs permanent dazwischen funkt. „Ich habe versucht, möglichst die komischen Seiten dieser Geschichte darzustellen“, sagt Mathias Habich und bringt noch die Komponente Spaßvogel ein. Sein Witz rettet den Film vor dem endgültigen Ertrinken im Liebeskummer, aber nicht vor der Kollision der unterschiedlichen Kurse, die die an dem Film Beteiligten verfolgten.
Christof Boy
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