Schnauze, du Fettkopf!

■ Das amerikanische Fernsehen probt die Tiefen der Gosse / Das Ende der „Morton Downey Jr. Show“

Mit dem US-amerikanischen Fernsehen geht es von Jahr zu Jahr immer weiter bergab - wenige Kritiker hätten diese These bestritten. Immer neue Kanäle in den Kabelsystemen, immer härtere Konkurrenz unter den Fernsehgesellschaften und immer heftigere Kämpfe unter den TV-Giganten um die ökonomische Kontrolle des Marktes haben aus dem Medium einen Eintopf mit meist unverdaulichen Zutaten werden lassen, in dem der kommerzielle Erfolg nur noch demjenigen winkt, der die Schmerzschwelle des schlechten Geschmacks noch eine Stufe nach unten schraubt. „Trash-TV“ - Fernsehen aus der Mülltonne - heißt die Devise. Als die Morton Downey Jr. Show vor zwei Jahren zum ersten Mal auf den Bildschirmen in New York erschien, diente sie vielen Beobachtern der amerikanischen Populärkultur als dramatische Bestätigung ihrer düsteren Prognosen. Downey gerierte sich als wahres Talkshow-Ekel, brüllte seinen Gästen Schimpfwörter entgegen und ließ sie gelegentlich, wenn ihm ihre Meinungen auf seine stets zum äußersten gereizten Nerven gingen, von Saaldienern mit Gewalt vor die Studiotür setzen.

Die Morton Downey Jr. Show war für das Genre der Talkshow, was römische Gladiatorenkämpfe für den sportlichen Wettstreit darstellten: Kampf bis zur Vernichtung, alle Mittel sind erlaubt. Der 56jährige Downey spielt dabei den stets lautstarken Zirkusdirektor, der das Geschehen von seinem leicht erhöhten Podium aus dirigiert, seine Gäste sitzen auf schlichten Stühlen. Dichte Rauchwolken ausstoßend, fährt Kettenraucher Downey in die anfängliche Präsentation ihrer Argumente. „Du Fraßkotzer!“ ist seine gebrüllte Lieblingsbezeichnung für einen Debattierer, mit dem er nicht übereinstimmt, und es dauert nicht lange, bis er ihm - und auch ihr - mit dem Ruf „Zip it, Fathead!“ (Schnauze, du Fettkopf!) das Wort abschneidet. Das Publikum duldet die rauhen Sitten nicht nur, sondern feuert Downey noch an. „Mort, Mort, Mort“, röhrt die 250köpfige Menge im Rund, wenn ihr tobender Held, Speicheltropfen ausstoßend, sich in bedrohlicher Pose vor einem Gast aufbaut, um ihn oder sie - zum Schweigen zu bringen. Männer zwischen zwanzig und dreißig aus den Arbeitervierteln der New Yorker Vororte zahlen bis zu fünfzig Dollar, um eines der Tickets für die TV-Aufzeichnung der Show zu ergattern.

Downeys aggressive, für seine Gäste erniedrigenden Umgangsformen sind mit politischen Überzeugungen gepaart, die ihn fest am rechten Rand des politischen Spektrums verankern. Feminismus? Wohlfahrtsstaat? Freiheit der Kunst? Resozialisierung statt Rübe ab? Alternativen zur Kleinfamilie? „Mort“ hat für derlei liberale Schnapsideen nur blanken Hohn übrig. Zwar behauptet er von sich, in den sechziger Jahren als Freiwilliger Hilfsdienste für die Präsidentschaftskampagnen von John F. Kennedy und dessen Bruder Robert geleistet zu haben - ob es stimmt, läßt sich heute nicht mehr beweisen -, aber er brach mit dem liberalen Lager über die Frage der Abtreibungsfreiheit. 1980 kandidierte er gar für die „National Right to Life Coalition“ als Präsidentschaftskandidat einer winzigen Splitterpartei.

Nach einem Jahr „on the air“ mußte sich Downey plötzlich darüber klarwerden, daß er nicht mehr war als eine Modeerscheinung, deren Schockwirkung und Faszination nach einer Weile nachläßt. Im Frühjahr dieses Jahres, als die amerikanische Nation sich auf „freundlichere, gütigere“ Zeiten einstellte, begannen Downeys Einschaltquoten zu sinken, obendrein waren die Inserenten, die seine Show durch ihre Werbespots finanzierten, nicht mehr so sicher, ob das kontroverse Programm des reaktionären Schreihalses eine gute Nachbarschaft für ihre Produkte sei. Downey beschleunigte seinen Sturz aus dem TV-Firmament noch durch eine hanebüchene Münchhausiade, als er seinem Publikum im Frühjahr auftischte, eine Bande Neonazis habe ihm auf dem Klo des Flughafens in San Francisco aufgelauert, ihm Hakenkreuze aufs Gesicht gemalt und einige Locken seiner dunklen Haarpracht erobert. Die Polizei bezeichnete ihn als Aufschneider. Niemand wollte dem widersprechen. Am Freitag lief die letzte Morton Downey Jr. Show. Für ein paar Wochen wird es einige Dezibel leiser im amerikanischen TV -Äther sein. Aber keine Angst - irgendjemandem wird schon etwas Neues einfallen.

Stefan Schaaf