Frankfurts Hochhäuser stecken im Bau-Sumpf

Zwei Tage vor der Kommunalwahl gab die Wallmann-Regierung Teilgenehmigungen für umstrittene Wolkenkratzer in der Mainmetropole / CDU fürchtete, eine rot-grüne Mehrheit könnte den Bau verhindern / Wurden bereits irreparable Fakten geschaffen?  ■  Von K.-P. Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Joschka Fischer, Fraktionsvorsitzender der Grünen im hessischen Landtag, schäumte: Moralisch verwerflich und „rechtlich höchst bedenklich“ habe die CDU -Administration in Frankfurt zwei Tage vor den hessischen Kommunalwahlen im März dieses Jahres irreparable Fakten geschaffen. Wenige Stunden vor diesen Wahlen, die SPD und Grünen eine Mehrheit der Sitze im Frankfurter „Römer“ brachten, hatte die Bauaufsicht auf Drängen der Investoren und des damaligen Rechtsdezernenten Udo Müller (CDU) Teilbaubescheide für zwei Wolkenkratzer erlassen: für die Hochhäuser der Bank für Gemeinwirtschaft und der DG-Bank am Rande des Westends.

Freibrief ausgestellt

Die rechtlichen und politischen Bedenken, die der Leiter der Bauaufsicht gegen diese Verfahrensweise zuvor geltend gemacht hatte, wurden von den „Wallmann-Boys“ (Landtags -Jargon) ausgeräumt: Mit einer handschriftlichen „Freistellungserklärung“ werde der Beamte davor geschützt, für die Folgen verantwortlich gemacht zu werden.

Als „politisch delikat“ werteten die Grünen im Landtag dabei den Umstand, daß ausgerechnet der Hauptakteur des „Schmierentheaters“, der Ex-Rechtsdezernent Müller, von Ministerpräsident Wallmann und dem CDU/FDP-Kabinett in Wiesbaden nach den Kommunalwahlen zum Präsidenten des Landesrechnungshofes gekürt wurde. Denn dieses Amt sei schließlich durch eine „besondere Vertrauenswürdigkeit“ gekennzeichnet. Die Grünen fordern deshalb die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dieser soll auch klären, welche Rolle der hessische Innenminister Gottfried Milde (CDU) dabei als Chef der Kommunalaufsicht spielte.

Die SPD läßt prüfen

Um ihren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einbringen zu könen, benötigen die Grünen allerdings die Zustimmung von Teilen der SPD -Fraktion. Doch die Sozialdemokraten wollen zunächst im Landtag die Stellungnahmen aus dem Innenministerium abwarten. Sollten die allerdings „unbefriedigend“ ausfallen, werde man den Grünen-Antrag zeichnen.

Der ehemalige CDU-Planungsdezernent Hans Küppers, der zusammen mit Müller und dem Ex-Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) die Aktion mitgetragen hatte, bestätigte inzwischen, daß mit der raschen Erteilung der Teilbaugenehmigungen von der bislang üblichen Verwaltungspraxis abgewichen worden sei. Küppers in entwaffnender Offenheit: Ziel sei es gewesen, die Verhinderung der beiden Projekte durch eine mögliche neue Mehrheit nach dem Wahltag unmöglich zu machen oder zumindest zu erschweren.

Die neue rot-grüne Stadtregierung wird nach Auffassung der Grünen im Landtag die beiden Hochhausprojekte hinnehmen müssen. Regreßforderungen in dreistelliger Millionenhöhe stünden im Raum, meinte Joschka Fischer. Noch ist unklar, welche Entschädigungsverträge die Investoren im Rahmen des Nachbarschaftsrechts mit betroffenen Anliegen abgeschlossen haben. Nach noch unbestätigten Meldungen sei zumindest einem Grundstücksnachbarn eine Entschädigung von einer Million Mark pro Jahr zugesichert worden.

Juristisch wasserdicht?

Im Frankfurter Römer sehen die Grünen die Situation nicht so hoffnungslos wie ihre Kollegen im Landtag. Immerhin müsse auch eine Teilbaugenehmigung sachlich begründet werden. Die Argumentation von Müller und Küppers gegenüber der Bauaufsicht sei dagegen „nicht sachbezogen“ gewesen. Dazu Christoph Becker, Mitarbeiter der Grünen im Römer: „Der Hinweis auf die hochhausfeindlichen Parteiprogramme von SPD und Grünen dürfte einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.“ Am kommenden Dienstag werden die Frankfurter Grünen auf einer Mitgliederversammlung ihre Position zum Konflikt um die beiden Wolkenkratzer festlegen.

Der neue Rechtsdezernent der Stadt, Andreas von Schoeler (SPD), läßt zur Zeit die der Administration zugänglichen Verträge juristisch prüfen. In diesem Zusammenhang dürfte auch auf der Mitgliederversammlung der Grünen - das Projekt „Campanile“ erneut auf der Tagesordnung stehen. Denn dieser Wolkenkratzer am Bahnhof soll nach dem Willen von SPD und Grünen „auf keinen Fall“ gebaut werden. Doch auch die „Campanile„-Bauherren verfügen über eine Teilbaugenehmigung

-allerdings über eine rechtlich noch nicht wirksame, da sich eine Hausbesitzerin ihr Nachbarschafts-Einspruchsrecht auch nicht für Millionenbeträge bislang hat abkaufen lassen. Doch die renitente Frau Krause wäre zufrieden, wenn die „Campanile“ nicht ganz so hoch gebaut würde wie von den Investoren beabsichtigt. Der Ausgang des „Ringens um den „Campanile“ (Grüne) sei deshalb noch völlig offen.