Rambo-Aktion provozierte zu Todesschüssen

■ Polizeisprecher: Warum die SEK-Beamten die Todessschüsse nicht hören konnten und so sowieso keine Chance hatten, zwei Leben zu retten

Die Schüsse, mit denen der 30jährige Christian Klems am Mittwochmorgen zunächst seine frühere Lebensgefährtin Bettina Lückermann und dann sich selbst tötete, sind durch den Rambo-Einsatz des sechsköpfigen Sondereinsatzkommandos provoziert worden. Davon ist nach der gestrigen Polizeipressekonferenz auszugehen.

Am Mittwoch hatte die Polizei behauptet, die SEK-Beamten hätten nur ein Geräusch gehört, das von einem Schuß gestammt haben könnte. Nachdem der Polizeipressesprecher gestern zunächst gar keine weiteren Auskünfte zu dem tödlichen Einsatz machen wollte, lieferte er dann doch die Erklärung, warum die SEK-Beamten die Schüsse nach der Sprengung der Tür gar nicht hatten hören können. Durch den mächtigen Knall und den Druck der Detonation waren sie für einen Moment taub. Gleichzeitg gab der Sprecher bekannt, daß es sehr wohl andere Zeugenaussagen gebe, die den Zeitpunkt der Schüsse genauer bestimmen könnten.

Auf der Pressekonferenz wurde ein weiteres Indiz bekannt, das darauf hindeutet, daß die Polizei bei dem Einsatz keinerlei

Chance hatte, zumindest das Leben von Bettina Lückermann zu retten. So standen die sechs SEK-Beamten, um nicht von der Wucht der Detonation umgeworfen zu werden, vermutlich ein Stockwerk tiefer und mußten somit auch noch Treppen hinaufhetzen,

um in das verwinkelte Appartment zu gelangen. Reichlich Zeit für Christian Klems (Polizeieinschätzung: unberechenbar, geisteskrank), mit seinem Revolver die beiden tödlichen Schüsse abzugeben.

Auf der Polizeipressekonfe

renz wurde gestern noch einmal betont, daß die Bielefelder Polizei die gleiche Lageeinschätzung wie die Bremer Kollegen vorgenommen hatten. Wesentliche Voraussetzung für die Lageeinschätzung: Ein abgehörtes Telefonat, das Bettina Lückermann mit ihrer

Schwester um 5.30 Uhr geführt hatte. Hier soll deutlich geworden sein, daß sich die Frau nun in akuter Lebensgefahrt befunden habe. Eine Veröffentlichung des Gesprächsinhaltes lehnte die Polizei gestern ab.

Nach dem CDU-Mann Borttscheller („Rambo-Methoden“) äußerte sich gestern auch der Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas. „Das gestrige Vorgehen der Polizei dokumentiert in erschreckender Weise, daß aus dem Geiseldrama vom August 1988 die falschen Schluß

folgerungen gezogen wurden - nämlich hartes Durchgreifen“, kommentierte er. Offenbar müsse besonders betont werden, daß das oberste Gebot polizeilichen Handelns der Schutz von Menschenleben sei. „Senat und Polizei können es sich nicht noch einmal erlauben, durch Hinhalten, Halbwahrheiten und Vertuschungsversuche die Öffentlichkeit hinter das Licht zu führen.“ Für heute morgen wurde auf Antrag der CDU eine Sondersitzung der Innendeputation einberufen.

hbk