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„Flucht vor der Öffentlichkeit“

Stellungnahme des Öko-Instituts zum geplanten Gentechnik-Gesetz  ■ D O K U M E N T A T I O N

Nach Auffassung des Öko-Instituts sind die Risikopotentiale der Gentechnik so groß, daß eine Förderung, wie sie mit dem Gesetz angestrebt wird, unverantwortlich ist. (...) Angesichts der mit der Anwendung der Gentechnik verbundenen neuartigen Gefahren ist eine besonders sorgfältige und verantwortungsvolle Entscheidung unabdingbar. Der vorliegende Entwurf wird dieser Verantwortung in keiner Weise gerecht. In der Begründung des Entwurfs wird zwar eingestanden, daß mit der Gentechnik eine „Gefahrenquelle in Gang gesetzt“ wird. Auch muß eingeräumt werden, daß „eine Prognose etwaiger Schadensverläufe kaum zu stellen ist“. Der Schutzgedanke tritt in dem Entwurf jedoch eindeutig zurück. Die materiellen Regelungen des Gesetzes betonen einseitig die Nutzungsinteressen. Eine wirksame Kontrolle der Gentechnik ist damit nicht möglich.

1. Nach dem Entwurf fallen in Zukunft alle wichtigen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gentechnik im Bundesgesundheitsamt und der dort angesiedelten Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS). Diese Zentralisierung widerspricht dem föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik. Durch die Monopolisierung der Entscheidungen entsteht zugleich eine enorme Machtzusammenballung. Hinzu kommt, daß die ZKBS auch in Zukunft einseitig besetzt sein wird. Die Anwender und Nutzer der Gentechnik sollen sich selber kontrollieren. Die Transparenz der Entscheidungen ist nicht gewährleistet. Demgegenüber fordert das Öko-Institut:

Vollzug des Gesetzes durch die Bundesländer

Ausgewogene Zusammensetzung der ZKBS unter Einbezug

ausgewiesener KritikerInnen

Entscheidung mit 2/3-Mehrheit; Recht auf

Minderheitenvoten

Öffentlichkeit der Sitzungen und eine Veröffentlichung der

Ergebnisse

2. Nach dem Entwurf soll die Freisetzung veränderter Organismen in Zukunft erlaubt sein. Dies ist aus der Sicht des Öko-Instituts nicht zu verantworten. Im Gesetz ist daher ein generelles Verbot der Freisetzung zu verankern.

3. Gegenwärtig ist nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz für alle gentechnischen Produktionsanlagen eine Genehmigung unter Beteiligung der Öffentlichkeit zwingend vorgeschrieben. Die Beteiligung der Öffentlichkeit an den Genehmigungsverfahren soll in Zukunft weitgehend unterbleiben. Dies stellt einen Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage dar.

Diese Flucht vor der Öffentlichkeit ist zugleich der Versuch, die Geschichte um 150 Jahre zurückzudrehen. Denn seit der Preußischen Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 ist Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren für industrielle Anlagen gesetzlich vorgeschrieben.

Die Praxis zeigt, daß eine Kontrolle von Betreibern und Behörden durch betroffene BürgerInnen und eine kritische Öffentlichkeit unerläßlich ist:

Sämtliche bisher durchgeführten öffentlichen Genehmigungsverfahren für gentechnische Anlagen mußten wieder abgebrochen werden. Die Unternehmen (Behring, Marburg; BASF, Ludwigshafen; Grünenthal, Aachen) hatten Antragsunterlagen vorgelegt, die den Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes nicht entsprachen. Gleichwohl hatten die zuständigen Behörden diese Unterlagen zunächst als inhaltlich ausreichend und vollständig akzeptiert. Erst durch die fundierte Kritik der Öffentlichkeit wurden diese Defizite aufgedeckt. Das Öko-Institut fordert daher:

Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei allen

Genehmigungsverfahren

Rechtsschutzmöglichkeiten für Bürger sowie für Natur-,

Umwelt- und Verbraucherverbände (Verbandsklage)

Eine Bewertung des Nutzens des beabsichtigten Vorhabens

sowie eine Diskussion über mögliche Alternativen technischer und nichttechnischer Art.

4. Wenn gentechnisch veränderte Organismen oder Produkte, die solche Organismen enthalten, „in Verkehr gebracht“ werden, ist dafür nach dem Entwurf eine Genehmigung erforderlich. Daran soll die Öffentlichkeit allerdings in keiner Weise beteiligt werden. Auch eine Kennzeichnung der Produkte zur Information der VerbraucherInnen ist nicht vorgesehen. Das Öko-Institut fordert demgegenüber:

Ein Verbot auch der „versteckten“ Freisetzung über

gentechnische Produkte

Zumindest aber eine Kennzeichnung gentechnischer Produkte

und

Öffentliche Anhörungsverfahren, bevor die Produkte in den

Handel kommen.

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