: UdSSR-Politbüro auf Kurs
■ Gorbatschow stärkt seine Fraktion durch Pensionierung der alten Garde und Neuwahl von Gefolgsleuten / Ukrainischer Parteichef und Ex-KGB-Chef abgelöst
Moskau (dpa/afp) - Zum Abschluß der zweitätigen Sondersitzung des ZK der KPdSU konnte Parteichef Gorbatschow durch Umbesetzugen im Politbüro seine Position erneut stärken. Mit dem Parteichef der Ukraine mußte einer der entschiedensten Gegner des neuen Kurses, der erzkonservative Veteran der Breschnew-Ära Wladimir Schtscherbizki, seinen Hut nehmen. Seine Entfernung aus dem Machtzentrum muß auch als ein Zugeständnis an die ukrainische Volksfront gewertet werden, die ihre Aktivitäten in den letzten Wochen erheblich verstärkt hatte.
Der ehemalige Parteichef Leningrads, Solowjew, der nach seiner blamablen Niederlage bei den Wahlen zum Volksdeputiertenkongreß von Gorbatschow persönlich seines Amtes enthoben worden war, verlor nun auch sein Mandat als Kandidat des Politbüros. Mit Viktor Tschebrikow schied ein weiteres prominentes Politbüro-Mitglied aus. Bis September letzten Jahres war er Chef des Geheimdienstes KGB. Dran glauben mußte auch der bisherige ZK-Sekretär Viktor Nikonow. Seine Entlassung steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Militäraktion gegen georgische Demonstranten im April, bei der zwanzig Menschen den Tod fanden.
Neu ins Politbüro gelangten als Vollmitglieder der jetzige KGB-Chef Wladimir Kriuschkow, Jewgenij Primakow, der als Verfechter wirtschaftlicher Reformen bekannte Präsident des Unionsrats des Obersten Sowjet und der Lette Boris Pugo, der der Parteischiedskommission präsidiert. Daneben wurde der Leiter der staatlichen Plankommission und Vize -Ministerpräsident, General Jurij Masljukow, zum Vollmitglied befördert. Bei Kriuschkow und Masljukow, die den Geheimdienst- und Militärapparat repräsentieren, vermuten Beobachter, sie könnten sich im Falle zu weitgehender Reformen auch gegen den Parteichef stellen. Siehe auch Seite 7
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen