: „Wir sind wieder in unserem Element“
Schweizer und italienische Businessleute wollen Giftmüllverbrennungsanlagen an Mexicos Küste bauen - der Basler Initiator Arnold Kuenzler scheiterte kürzlich mit ähnlichen Vorhaben in Angola. Im Projekt inbegriffen war auch ein Putsch ■ Aus Basel Thomas Scheuer
Der Herr in dem hellblauen, fein gebügelten Pilotenhemd schiebt auf dem Gepäckrolli gleich vier voluminöse Aluminiumkoffer durch die Abfertigungshalle des binationalen Flufhafens Basel-Mulhouse. Vor dem First-Class-Schalter der Swissair kommt er mit einem anderen Fluggast ins Plaudern, zufällig einem Manager des Basler Chemie-Giganten Ciba -Geigy, wie sich herausstellt. „Ah, auch in Sachen Sondermüll unterwegs“, feixt der Alukoffer-Schieber. Der Ciba-Mann kann das gar nicht witzig finden. Der hintergründige Sinn der Frotzelei ist ihm nicht zugänglich: der schäkernde Kerl im Pilotenlook checkt nämlich tatsächlich in Sachen Giftmüll ein. Arno Kuenzler ist wieder auf Achse.
Der Basler Geschäftsmann, der um die Jahreswende mit Giftmüllprojekten in Afrika für internationale Schlagzeilen sorgte, bastelt seit Monaten an einem neuen Deal: in der Bucht von Coatzacoalcos im mexikanischen Bundesstaat Veracruz will er eine gigantische Giftmüllverbrennungsanlage installieren. Rund 850 Millionen Dollar Gesamtkosten sind für die heißen Öfen veranschlagt, die nach dreieinhalbjähriger Bauzeit 100.000 Tonnen Giftmüll durch die Kamine jagen sollen. Mit Mülldumping in der Dritten Welt habe das Projekt, so versichern die Initiatoren, nichts zu tun; vielmehr sollen die Öfen dem aktuellesten technischen Standard entsprechen. Fragezeichen sind jedoch angebracht. Hinter dem Projekt stecken diverse schweizerische und italienische Firmen. Vor allem aber Arnold Künzler: „Wir sind wieder in unserem Element“, klopft der seinem italienischen Begleiter an der Paßkontrolle in Vorfreude auf den Flug auf die Schulter.
Angolanische Erfahrungen
Um die Jahreswende war der umtriebige Basler mit ähnlichen Vorhaben im südlichen Afrika aufgelaufen. Neben Versuchen in Namibia und Südafrika konzentrierte sich Kuenzler vor allem auf Angola: Für die Genehmigung, im Süden des Landes drei Giftmüllverbrennungsanlagen bauen zu dürfen, bot er der Regierung zwei Milliarden Dollar. Das Projekt kam daher wie die leibhaftige Entwicklungshilfe: eine neue Stadt, Hafen, Straßen, Flugplatz, 15.000 Arbeitsplätze. Hochmoderne Verbrennungsanlagen nach dem neuesten Stand der Technik wollte Kuenzler auch den Angolanern bescheren. Die Crux dabei: zur Finanzierung der Pläne sollten erst einmal zig Tausend Tonnen Giftmüll importiert und zwischengelagert werden. Wäre das Projekt erst dann geplatzt, hätten die Angolaner den Dreck am Hals gehabt. Die Regierung in Luanda dementierte entsprechende Pläne später mehrfach. Kuenzler dagegen will im November letzten Jahres immerhin einen Vorvertrag abgeschlossen haben und erklärt den Widerspruch mit den politischen Verhältnissen in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land: „Das ist keine Regierung wie bei uns, das ist ein politischer Schwarzmarkt, auf dem man sich seine Vertragspartner suchen muß.“ Einen hatte er offenbar in dem wechselhaften Veteran des Befreiungskrieges Daniel Chipenda gefunden. Der war nach einem früheren Putschversuch schon mal nach Portugal abgehauen, später aber wieder nach Angola zurückgekehrt und damals einflußreicher Funktionär der Regierungspartei MPLA. Chipenda weilte nachweislich im November und Dezember letzten Jahres mehrmals zu Verhandlungen mit Kuenzler & Co in Basel.
Gescheiterter
Putschversuch
Doch die Giftmüllöfen waren nicht die einzigen heißen Eisen, die damals geschmiedet wurden. Zur gleichen Zeit, so sickerte erst jetzt in Luanda durch, liefen Vorbereitungen für einen Putsch, mit dem die Regierung des Premierministers Dos Santos gestürzt werden sollte. Betreiber des geplanten Staatsstreiches war eine Clique innerhalb der Staatspartei MPLA um den damaligen angolanischen Innenminister Kito (der Mann heißt eigentlich Rodriguez, hat aber wie viele Ex -Kämpfer seinen Kriegsnamen Kito aus den Zeiten des Unabhängigkeitskampfes gegen die portugisiesche Kolonialmacht beibehalten). Kito, dem zunehmene Machtgelüste nachgesagt wurden, hatte neben den regulären Polizei- und Armeeinheiten eine eigene paramilitärische Kampftruppe aufgebaut, die den Argwohn der Sicherheitsdirektion weckte. Von ihr wurden Putschpläne in einem frühen Stadium aufgedeckt und vereitelt.
Bei den Recherchen stellte sich heraus, daß auch Arnold Kuenzler und einige seiner Geschäftspartner in die Umsturzpläne verwickelt waren. Allen voran Pio Diana, ein Italiener mit südafrikanischem Paß, dem intensive Verbindungen zu den Militärgeheimdiensten Südafrikas und Israels nachgesagt werden. (Nachdem er in diesem Sommer im Grenzgebiet zu Namibia aufgegriffen wurde, sitz Pio Diana derzeit unter Spionageverdacht in Luanda im Knast.)
„Ja, wir wollten die Regierung in Luanda stürzen“, gibt Arnold Kuenzler, von der taz mit den Putschplänen konfrontiert, freimütig zu. Man habe die Regierung Santos als zu moderat empfunden und unter den neuen Machthabern ein günstigeres Klima für die eigenen Geschäfte erhofft. Die Initiatoren des Coups, so Kuenzler bescheiden, seien aber Angolaner um Kito gewesen. Er, Diana und dessen Spezies aus der „Südafrika-Connexion“ hätten im logistischen Bereich unterstützt.
Bewegte Vita als Söldner
Tatsächlich war geplant gewesen, für ausländische Techniker und Berater im Rahmen des Giftmüll- und anderer Projekt, als Hotelschiff einen Kreuzfahrtdampfer zu chartern. Der Kahn sollte vor Luanda vor Anker gehen, just gegenüber dem auf einer Halbinsel vor der Hauptstadt gelegenen Präsidentenpalast. In den Putschplänen diente das Schiff als Bereitstellungsraum für eine anzuheuernde Söldnertruppe. So weit kam es allerdings nie. Kito wurde abgesetzt, seine dubiose Privattruppe aufgelöst. Auch Industrieminister Orlando kostete die Affäre um Giftmüll und Putsch seinen Posten. Chipenda wurde als Botschafter nach Kairo abgeschoben. Kuenzlers Truppe darf sich in Angola seither nicht mehr blicken lassen. Doch offenbar werden die Angola -Pläne von anderen Schweizer Interessenten im Stillen weiterverfolgt. Jedenfalls soll es noch im April zu einem Treffen mit Daniel Chipenda im Mailänder Hilton Hotel gekommen sein.
Arnold Kuenzlers Vita weist eine ganze Latte einschlägiger Engagements in diversen afrikanischen Bürgerkriegen der vergangenen zwei Jahrzehnte auf. Er war schon dabei als eine Söldnertruppe Anfang der 60er Jahre von Sansibar aus das damalige Tanganjika erobern wollte, mischte im Biafra-Krieg und im Katanga-Konflikt mit, rüstete später - vom Söldner zum Waffenhändler aufgestiegen - die Truppen Zaires und Ugandas mit Kriegswerkzeug aus. Ugandas Diktator Idi Amin diente er als Armee-Schatzmeister. Seit jenem Job darf er die Bundesrepublik nicht mehr betreten: 1977 verhökerte er eine Schiffsladung ugandischen Kaffees gleich an drei Käufer. „Die standen vielleicht blöd im Hafen“, freut er sich noch heute über den Schwindel. Nach einer Verurteilung wegen Betrugs verhängte das Landgericht Bremen gegen den Schweizer eine Einreisesperre in die BRD. (Da sein Kumpan Diana Einreiseverbot in die Schweiz hat, trifft man sich gern im elsässischen Grenzort St. Louis, beispielsweise im Tiffany.) Kürzlich rüstete er die Armee von Burkina Faso mit israelischer Second Hand Ware aus. Doch die Geschäfte liefen zuletzt schlecht. Nur noch zwei laufende Kriegsmaterialgeschäfte will er abwickeln, „dann habe ich endlich meinen Heiligenschein“. Da es sich in der neuen Branche schon als sehr lästig erwies, müht sich Kuenzler derzeit sehr, sein altes Söldner- und Waffenhändler-Image loszuwerden. Auch hat er in Angola wohl gelernt, daß die alte Hauruck-Masche „80 harte Jungs, und wir haben die Sache im Griff“ heute nicht mehr zieht. Briefbögen und Visitenkärtchen seiner Ein-Mann-Firma „Integrated Logistic Support“ sind jedoch nach wie vor mit dem Fleckenmuster von Tarnanzügen bedruckt. Der Firmensitz wechselt täglich. „Mein Büro ist hier“ - sein Arm zieht einen Bogen über die tropenhölzerne Bartheke eines Basler Vier-Sterne-Hotels; die Akten wandern im Koffer mit. Image hin oder her: Hochprozentiges muß mit aufs Bild, das Pressefoto sei „sonst völlig unglaubwürdig“.
Das Mexiko-Projekt
vor dem Abschluß
Für das Mexico-Projekt hat sich Kuenzlers gescheckte Wanderfirma mit den Basler Unternehmen Conceptag und Inter Waste Control zusammengetan. Der Herr von Conceptag winkt, um Auskunft angegangen, scheu ab: „Herr Kuenzler ist der Star, wir sind der Hintergrund.“ Und im Hintergrund ging es rund die letzten vierzehn Tage: Como, Mexico-City, Zürich, Mailand, Basel - ein Treffen jagte das andere. Zu konkreten Ergebnissen haben die Verhandlungen mit der Regierung des mexikanischen Bundeslandes Veracruz zwar noch nicht geführt; doch konnten die Basler bereits eine ganze Reihe teilweise namhafter Firmen in ihre Vorplanung involvieren. So bestätigte ein Sprecher des Zürcher Anlagenbaukonzerns Von Roll, dessen Lettern fast jeden zweiten gußeisernen Gullideckel in der Schweiz zieren, der taz, daß sein Konzern an entsprechenden Vorgesprächen beteiligt gewesen sei. Von Roll hat die Spezialöfen für die Verbrennungsanlage der Hessischen Industrie-Müll GmbH in Biebisheim gebaut - und die mexikanischen Interessenten bereits schriftlich zu deren Besichtigung eingeladen. Die Reederei Spedag hat ihre Transportkapazitäten angedient. Das Financing will die Mailänder Euromultifin S.p.A. zusammen mit der mexikanischen Grupo Serficor managen.
„Seine große Fähigkeit liegt darin,“ so ein griechischer Reederei-Agent über Kuenzler, „komplizierte Sachen anzuleiern.“ Es ist tatsächlich erstaunlich, wie der windige Ex-Söldner, gegen den ein Schweizer Staatsanwalt derzeit im Zusammenhang mit einer Pleite gegangenen Immobilienfirma immerhin wegen Betrug und Steuerunterschlagung in Millionenhöhe ermittelt, ein Netzwerk von Firmen häkelt, selbst seriöse Konzerne einbindet, meist unter Vorgaukelung der Zusage des anderen. Einige Beteiligte zeigen aber auch offene Skepsis. Denn das Wichtigste fehlt bisland: die offiziellen Genehmigungen mexikanischer Behörden für den Bau der Anlage sowie für Import und Lagerung von Giftmüll. Die oder zumindest Vorverträge hofft Kuenzler in einem der großen Alukoffer von seinem jüngsten Trip zurückzubringen, zu dem er am Mittwoch startete. Denn der Mann steht unter Zeitdruck: Schiffe sind schon aquiriert, die seit Jahren als Zwischenlager, vollgestopft mit Giftmüll, vor sich hindümpeln. Einige davon sollen bereits vor Mexiko, andere in der Bucht von Maracaibo (Venezuela) vor Anker liegen. Den Kram rasch loszuwerden und dabei einen schnellen Schnitt zu machen, das ist Kuenzlers Ziel. Doch was geschieht mit dem Dreck, wenn das Projekt platzt? Euromultifin rechnet damit, so geht aus einem Operationsplan hervor, daß bereits im November 1989 der erste Giftmüll „from Italy to Mexico“ verschifft werden kann. Sollte es ihnen gelingen, die italienischen Konzerne Ferruzzi und Montedison als Müllkunden zu gewinnen, so spekulieren die Mailänder Finanzjongleure auf dem Papier, so sei sicherlich mit weiteren Multis - einige namhafte Branchenriesen sind da aufgeführt - ins Geschäft zu kommen. Schließlich trifft man sich ohnehin schon ab und an am Swissair-Schalter.
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