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Das „Neue Forum“ beugt sich nicht

■ Die Mitgründer wollen die Ablehnung der Legalisierung der Oppositionsgruppe durch das Innenministerium der DDR vor Gericht anfechten / Bärbel Bohley: „Wenn das so weitergeht, ist es mit der DDR bald zu Ende“ / FDJ-Gruppe übt Kritik / SED vergattert Blockparteien

Berlin (taz/dpa) - Trotz der prompten Ablehnung ihres Legalisierungsantrags durch das Innenministerium der DDR will das „Neue Forum“ nicht aufgeben. Bärbel Bohley und Rolf Henrich, Mitgründer der demokratisch-oppositionellen Sammlungsbewegung, wollen vor Gericht die Ablehnung anfechten. Auch die Unterschriftensammlung für das „Neue Forum“ - bisher 2.500 Unterzeichner des Gründungsaufrufs soll weitergehen. Die SED-Führung reagierte mit äußerster Schroffheit. Die Plattform des „Neuen Forums“ wurde als „staatsfeindlich“ qualifiziert, die Unterschriftensammlung als nicht genehmigt und folglich illegal bezeichnet. Sie sei, so das Ministerium des Innern, ein Versuch, die Bürger der DDR über die wahren Absichten der Verfasser zu täuschen.

Auf der Sitzung des Nationalrats der Nationalen Front wurden die Blockparteien und gesellschaftlichen Organisationen zur bedingungslosen Unterstützung der SED -Linie vergattert. Unisono betonten Ost-CDU, LDPD, Nationaldemokraten und Bauernpartei, wie sehr sie sich in der DDR zu Hause fühlen und wie grundlegend sie mit dem Kurs des sozialistischen Aufbaus in der DDR übereinstimmten.

ZK-Sekretär Horst Dohlus sagte den Parteigruppenorganisatoren von Karl-Marx-Stadt, der Sozialismus sei für alle da, brauche jeden und eröffne jedem ein weites Feld. Manches Problem müsse noch gelöst werden, aber für einen Kommunisten müsse klar sein, auf welcher Seite der Barrikade er zu stehen hat.

Rolf Henrich vom „Neuen Forum“, ehemaliger SED-Funktionär und mit Berufsverbot belegter Rechtsanwalt, zeigte sich bestürzt über den Vorwurf der Staatsfeindlichkeit, ein Vergehen, das nach DDR-Recht mit langen Freiheitsstrafen geahndet werden kann. Nur ein Gericht, so Henrich, könne über die Registrierung der Vereinigung entscheiden. Angesichts von Reformforderungen, die jetzt selbst von hohen SED-Funktionären erhoben würden, sei die Partei „kurz vor dem Platzen“. Henrich findet die Zustimmung unter den 30 bis 50jährigen DDR-Bürgern für das „Neue Forum“ „einfach überwältigend“.

Auch Bärbel Bohley äußerte sich in einem Telefongespräch entsetzt über den Vorwurf der Staatsfeindlichkeit. „Die DDR geht unter, wenn sie diese Menschen, die sich artikulieren und die die DDR verändern wollen, in dieser Art und Weise ignoriert.“ An der aggressiven Stimmung, die in der DDR herrsche, sei die SED selbst schuld. Sie trage die volle Verantwortung, „wenn daraus Gewalt erwächst“. „Wenn das so weitergeht, geht es mit der DDR bald zu Ende.“ Der Biologe Jens Reich, ebenfalls Mitgründer des „NF“, sagte abgewogen: „Wir werden jetzt versuchen, das Reformziel so zu formulieren, daß unser Verein nicht als staatsfeindlich eingestuft werden kann.“

Das Innenministerium der DDR hat seine Auffassung nicht begründet, warum die Ziele des „Neuen Forums“ der Verfassung der DDR widersprächen und eine staatsfeindliche Plattform darstellten. Die Höchststrafe für „verfassungswidrigen Zusammenschluß“ beträgt zwölf Jahre, „Zusammenschluß zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele“ wird mit bis zu acht Jahren Haft bestraft. Die Entscheidung des Innenministeriums bezog sich nur auf den in Berlin/DDR gestellten Antrag, faktisch aber ist mit dem Entscheid auch über die Anträge in den Bezirken entschieden. Eine gerichtliche Nachprüfung der Ablehnung ist theore Fortsetzung Seite 2

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tisch seit dem 1.Juli bei den neu eingerichteten Kammern der Kreisgerichte möglich. Eine Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtsbarkeit ist in der DDR unbekannt.

Die Sympathiewelle für das „Neue Forum“ reißt trotz des vorgezeigten

dicken Knüppels nicht ab. Pfarrer Gottfried Hempel aus Großschönau, der die Vereinigung für den Bezirk Dresden angemeldet hat, erklärte, er habe hundert neue Unterschriften und Sympatieerklärungen erhalten. Daß der allgemeine Unmut auch vor den Betrieben der DDR nicht halt macht, beweist der „offene Brief“ der FDJ-Gruppe in den Fritz-Heckert-Maschinenwerken,

dessen Aushang toleriert wurde. Die FDJler ärgern sich über die undifferenzierte Berichterstattung zu den Ausreisern und meinen, daß nicht nur die BRD an der Ausreisewelle Schuld habe, „sondern auch Ursachen bei uns vorliegen“.

Man solle außerdem die verlogene Erfolgspropaganda einstellen, ein realistisches Preisgefüge zulassen - und den Korpus der hauptamt

lichen Funktionäre abspecken.

Die Bundesregierung erklärte vornehm zurückhaltend, sie nehme die Entscheidung mit großem Bedauern zur Kenntnis. Die SPD stellte „mit Entsetzen die absolute Sturheit der SED“ fest, die zu einer „immer größeren Isolierung“ führt. Von den Grünen und Euro-Grünen wurde dem „Neuen Forum“ vielfache Aufmunterung zuteil.

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