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Eröffnung des S-Bahn-Südrings verschoben

■ Bausenator Nagel will mit der Erweiterung der S-Bahnstrecken bis 1994 warten / AL sieht Verstoß gegen die Koalitionsvereinbarung: Zeitvorstellungen Nagels entsprechen fast der CDU-Planung / Restaurierung des S-Bahn-Nordrings soll nächstes Jahr beginnen

Von den Koalitionsvereinbarungen abweichende Pläne im S -Bahnbereich verkündete gestern überraschend Bausenator Nagel (SPD). Anläßlich des Beginns der Bauarbeiten auf dem Abschnitt des Südrings zwischen den Bahnhöfen Westend und Hohenzollerndamm erklärte Nagel, daß der komplette Südring bis Sonnenallee erst 1994 in Betrieb genommen werden könne.

In den Verhandlungen mit der Alternativen Liste war dagegen vereinbart worden, daß die Bahn auf dem Südring schon Ende 1992 rollen solle. Verknüpft mit diesem Datum sollte nach der SPD/AL-Vereinbarung auch die S-Bahnstrecke nach Lichterfelde-Süd wieder in Betrieb gehen und die S-Bahn nach Spandau spätestens 1993/94. Was die beiden letztgenannten Strecken betrifft, wollte sich Senator Nagel gestern auf keinerlei konkrete Termine mehr festlegen.

Noch im Mai hatte er auf Kritik hin klargestellt, daß es bei der Abmachung über die sogenannte Westbahn bleibe, auch wenn sich die Verhandlungen mit der DDR zum Bau einer teilweise parallel verlaufenden Fernschnellbahn nach Hannover in die Länge zögen. Parallel zu den Arbeiten am Südring werde „selbstverständlich“ schon im nächsten Jahr der marode Nordring der S-Bahn in Angriff genommen, so das Trostpflaster Nagels, der unverdrossen von einem „guten Tag für den ökologischen Stadtumbau“ sprach. Immerhin lasse sich der Senat diesen Umbau etwas kosten: Die in die S-Bahn fließenden Investitionsmittel summierten sich in den nächsten zehn Jahren auf den „enormen Betrag“ von 3,4 Milliarden Mark.

Während Nagel und Finanzsenator Meißner (ebenfalls SPD) sich auf dem Bahnhof Westend noch symbolisch an einem Preßluftbohrer abrackerten, übte der anwesende verkehrspolitische Sprecher der AL, der Abgeordnete Michael Cramer, vor Journalisten schon scharfe Kritik an den Ankündigungen. Die „Verschiebung der politischen Absichten“ zum vordringlichen Ausbau des S-Bahnnetzes sei für die AL „nicht hinzunehmen“, betonte Cramer. Er wies darauf hin, daß der abgewählte CDU-Verkehrssenator Wronski den Südring nur unwesentlich später, nämlich 1995, flott machen wollte. Vor diesem Hintergrund entsprächen Nagels Zeitvorstellungen „fast der alten CDU-Planung“.

Laut Cramer wird die AL-Fraktion auf eine Prüfung drängen, ob nicht zungunsten einer schnelleren Eröffnung des Südrings andere Bauarbeiten zurückgestellt werden können. Konkret nannte der Abgeordnete hier die beabsichtigte Verlängerung der Bahnsteige auf dem Bahnhof Witzleben. Der Umbau sei auch während des Betriebs vorstellbar. Es müßte ebenfalls überlegt werden, ob nicht bestimmte Planungsaufgaben an private Büros vergeben werden könnten. So habe Nagels Verwaltung immer damit argumentiert, die fehlenden Stellen für Planer seien schuld an den langen S-Bahnbauzeiten.

Cramer zufolge ist es für die AL auch nicht hinnehmbar, daß zur Verlängerung der U-Bahnlinie 8 in Reinickendorf woanders fehlende Planerkapazitäten gebunden sind. Zusätzliche Kritik an der BVG äußerte gestern die Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr (IGEB). Obwohl der Südring zeitlich eher fertiggestellt sein solle, sei auch in den neuen Liniennetzplänen für das Winterhalbjahr nur die U -Bahnverlängerung zum Rathaus Reinickendorf als „im Bau befindlich“ dargestellt.

thok

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